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Infopunkte Gesellschaft

raum&zeit-Ausgabe 222

Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür

Wer erinnert sich noch an den Streit um die Vorratsdatenspeicherung? Damit sollten sämtliche Verbindungsdaten von Anrufen, SMS und IP-Adressen plus Standortinformation gespeichert werden. Und zwar nicht die von Verdächtigen, sondern von der gesamten Bevölkerung. Dieser feuchte Traum jedes Sicherheitspolitikers wurde jedoch gerichtlich gestoppt. So erklärte im Jahr 2010 das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig. Und auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sie in Urteilen 2014 und 2016 als nicht vereinbar mit der EU-Grundrechte-Charta erklärt. Die Kernaussage der Urteile lautet: Die Speicherung von Kommunikationsdaten ist zwar möglich, muss aber auf das Notwendige beschränkt sein. Die Innenminister der EU-Länder, Geheimdienste und Sicherheitspolitiker griffen die Urteile juristisch und politisch an. Und einige EU-Mitgliedstaaten wollen trotz der EuGH-Urteile die anlasslose Vorratsdatenspeicherung legalisieren. Geschehen soll das unter anderem durch eine Hintertür in der sogenannten „ePrivacy-Verordnung“, die eigentlich die Privatsphäre in der Kommunikation schützen soll. Wenn Staat und Behörden, wie es der EuGH vorschreibt, nicht selber speichern dürfen, dann sollen das eben digitale Dienste-Anbieter übernehmen. Gewissermaßen wird das Datensammeln damit outgesourct. Dafür werden den Dienste-Anbietern via Verordnung zahlreiche Sondererlaubnisse erteilt, aus den verschiedensten Gründen Daten zu speichern. Und dort, wo keine ausdrückliche Speicherpflicht besteht, vertrauen die Politiker auf den unstillbaren Datenhunger der Anbieter. Auf Vorrat gespeicherte Kommunikationsdaten stellen jedoch grundsätzlich ein erhebliches Risiko für die Bevölkerung dar, so der Verein Digitalcourage. Wer über Zugriff auf diese Daten verfügt, habe Macht  über die betroffenen Menschen. Vorratsdatenspeicherung bedeute eine weitere kritische IT-Infrastruktur, die sich für repressive überwachungspolitische Maßnahmen eigne und angegriffen werden könne. Damit sei sie Ziel für kriminelle Attacken und Spionage. Um die aktuellen Umtriebe der Politik zur heimlichen Einführung der Vorratsdatenspeicherung zu konterkarieren, hat Digitalcourage eine neue Verfassungsbeschwerde auf den Weg gebracht. Unterstützer können sich auf der Website (s. u.) eintragen. (DS)

Quelle: https://aktion.digitalcourage.de/civicrm/petition/sign?sid=2&reset=1

Berliner Senat ändert die Rechtslage polizeilicher Maßnahmen

Diskriminiert die Berliner Polizei bestimmte Bevölkerungsgruppen? Davon ist der Berliner Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dirk Behrendt (Grüne), anscheinend überzeugt. Jedenfalls hat er das sogenannte Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) auf den Weg gebracht. Wörtlich heißt es in der Pressemitteilung der Staatskanzlei: „Das LADG bietet Schutz vor Diskriminierungen aufgrund rassistischer Zuschreibungen, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status.“ Berlin schaffe damit „ ... ein Diskriminierungsverbot im Rahmen öffentlich-rechtlichen Handelns und macht eine Kultur der Wertschätzung von Vielfalt zum Leitprinzip der Berliner Verwaltung.“ Umstritten ist der Passus, wonach Betroffene Diskriminierungsvorwürfe gegen Polizeibeamte erheben können, ohne diese beweisen zu müssen. Es reicht aus, wenn sie glaubhaft gemacht werden. Vielmehr ist es an dem beschuldigten Polizisten, zu beweisen, dass er nicht gegen das LADG verstoßen hat. Im Gesetzentwurf heißt es dazu wörtlich: „Werden Tatsachen glaubhaft gemacht, die das Vorliegen eines Verstoßes wahrscheinlich machen, obliegt es der öffentlichen Stelle, den Verstoß zu widerlegen.“ Diese Umkehr der Beweislast dürfte einmalig in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte sein. Berufsverbände der Polizei laufen denn auch Sturm gegen das LADG. Björn Badendick vom Verein Unabhängige in der Polizei: „Wer künftig in den Bereich polizeilicher Maßnahmen kommt, kann einfach Rassismusvorwürfe erheben, und der einschreitende Beamte trägt die Beweislast.“ Im schlechtesten Fall werde er von der Behörde bei Entschädigungszahlungen in Regress genommen. Und der Gesamtpersonalrat der Berliner Polizei warnt: „Das Gesetz könnte erhebliche Auswirkungen auf das polizeiliche Handeln haben.“ Unbeeindruckt davon hofft Dirk Behrendt, „ ... dass andere Bundesländer auch hier der Hauptstadt antidiskriminierungspolitisch folgen werden.“ Man kann also davon ausgehen, dass die Debatte um Polizei und Diskriminierung das ganze Land erfassen wird. (DS)

Quellen: www.berlin.de; www.berliner-kurier.de

Höhere Steuern auf Fleisch und Wurst

Je billiger Fleisch- und Wurstwaren durch Massentierhaltung angeboten werden können, desto stärker steigt die Nachfrage und desto mehr Schlachttiere werden in der durchindustrialisierten Landwirtschaft preisgünstig „produziert“ – ein Teufelskreislauf. Daher wird der Ruf nach einer künstlichen Verteuerung von Schlachtwaren immer lauter. So soll die Mehrwertsteuer auf Fleisch und Wurst von derzeit 7 Prozent (reduzierter Satz) auf den Normalsatz von 19 Prozent erhöht werden. Die staatlichen Mehreinnahmen sollen dann dem Tierschutz zugute kommen. Da jedoch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer nicht zweckgebunden sind, ist keineswegs sichergestellt, dass sie letztlich dem besseren Tierwohl dienen werden. Ist das Geld einmal in der Staatskasse, wachsen die Begehrlichkeiten auf allen Seiten und letztlich entscheiden dann tagespolitische Fragen oder anstehende Wahlen über die staatlichen Geldzuwendungen. Dies sieht auch die Organisation Foodwatch ähnlich. Statt die Steuern zu erhöhen solle es endlich eindeutige Vorgaben für die Tiergesundheit geben, unter anderem mehr Kontrollen, so Foodwatch. Die Fleischproduzenten werden durch höhere gesetzliche Standards bei der Mast gezwungen, das Tierwohl stärker zu berücksichtigen, was natürlich die Produktionskosten erhöht und somit auch die Preise für Fleisch und Wurst im Supermarkt. Die Nachfrage würde aufgrund der gestiegenen Preise sinken, weniger Fleisch- und Wurstware würden verzehrt. Ziel erreicht auch ohne Steuererhöhungen. Allerdings hätte auch diese Lösung einen Haken, da sich Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Anbietern, die sich nicht an die deutsche Gesetzgebung halten müssten, einstellen würden. Letztlich wird es dann wohl doch zu einer höheren Steuer auf Fleisch und Wurst kommen. Die Schlachttiere haben einmal mehr das Nachsehen. Am Ende hilft wohl nur, wenn jeder Einzelne seiner eigenen Verantwortung gegenüber der Schöpfung nachkommt. (DS)

Quelle: www.deutsche-handwerks-zeitung.de

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