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Infopunkte Ökologie

raum&zeit-Ausgabe 224

Forschungsprojekt Mind the Fungi

Den meisten Menschen dürfte das ungeheure Potenzial von Pilzen bereits bekannt sein. Sie sind nicht nur unverzichtbare Bestandteile unseres Ökosystems, sondern können auch auf vielfältige Weise für unsere Gesundheit eingesetzt werden. Doch dies ist bei weitem noch nicht alles. So lassen sich aus Pilzkulturen unter anderem auch Kleidung, Verpackungen und Baustoffe herstellen – als ideale Alternative für Materialien wie Plastik und Kunststoffe, tierisches Leder oder Baustoffe wie Rigips. „Weltweit gibt es geschätzt rund sechs Millionen verschiedene Arten von Pilzen, alle mit spezifischen Eigenschaften. Einige davon bieten uns heute die Chance, unsere erdölbasierte Wirtschaft in eine biobasierte umzuwandeln“, so Prof. Dr. Vera Meyer, Leiterin des Fachgebietes Angewandte und Molekulare Mikrobiologie an der TU Berlin. Um die nachhaltige und umweltschonende Ressource Pilz effektiv zu nutzen, haben Prof. Dr. Vera Mayer und ihre Kollegen das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Mind the Fungi!“ (deutsch etwa: „Nimm den Pilz!“) ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Citizen-Science-Projekt, an dem neben Wissenschaftlern, Künstlern und Designern auch normale Bürger beteiligt sind, um herauszufinden, wie groß die Akzeptanz der aus Pilzen hergestellten Produkte im Alltag wäre.
Kultiviert werden die Pilze in den Bioreaktoren des Labors auf dem TIB-Gelände der TU Berlin – auf Pflanzenabfällen und Biomasse wie Stroh, Holzspänen oder Flachs. Im Laufe der Zeit bildet sich aus dem reinen Biomaterial ein fester Verbundsstoff, aus dem daraufhin Kleidung, Möbel oder Häuserwände hergestellt werden können. Das große Plus bei diesem Verfahren besteht in der Nachhaltigkeit: Im Vergleich zur Herstellung von Baumwolle benötigt die gleiche Menge Textil aus Pilzen 100-mal weniger Wasser; zudem sind die Materialien nach Gebrauch kompostierbar.
Die Erkenntnisse der Forschungsarbeit wird der interessierten Öffentlichkeit im Berliner Haus der Zukünfte, dem „Futurium“, zugänglich gemacht: Dort zeigt das Projekt „Mind the Fungi!“ den gesamten Prozess vom Sammeln des Baumpilzes über die Isolierung und Kultivierung im Labor bis hin zu neuen Produkten aus Pilzen. Vor Ort können Besucher unter anderem die verschiedenen aus Pilzkulturen hergestellten Materialien und Gebrauchsgegenstände aus nächster Nähe ansehen, anfassen und testen – und entwickeln auf diese Weise ein Bewusstsein für nachhaltige Technologien der Zukunft. Bis Dezember 2020 wird „Mind the Fungi“ im Futurium mit wechselnden Exponaten präsent sein. (BE)

Weitere Informationen unter https://futurium.de/de/feature-art-lab#geheimnisvolle-allesk%C3%B6nner sowie

https://www.pressestelle.tu-berlin.de/menue/tub_medien/publikationen/medieninformationen/2019/dezember_2019/medieninformation_nr_2572019/

Klimaschutz vs Artenschutz

Eines der 17 Nachhaltigkeitsziele des UN-Programms Agenda2030 sind Sofortmaßnahmen, um den Klimawandel zu bekämpfen. (Es heißt nicht einmal „menschengemachter Klimawandel“!) Der verstärkte Ausbau der Erneuerbaren Energien wie der Windenergie spielt dabei eine wichtige Rolle. Deutschland hat sich vorgenommen, dass erneuerbare Energien bis 2030 den Bruttostrombedarf mit einem Anteil von 65 Prozent decken. Eine Überschlagsrechnung zeigt, dass dieses Ziel den Bau von weiteren rund 15 000 Windkraftanlagen bedeutet, womit dann insgesamt etwa 45 000 WKAs die einst so anmutige deutsche Landschaft verunzieren werden. Aber die heutige Windkraftnutzung ist leider nicht nur eine Frage der Ästhetik. Außer gesundheitsschädlichem Infraschall und ständiger Irritation der optische Signale verarbeitenden Hirnregion durch die unaufhörliche Bewegung der Rotoren-Blätter verursachen WKAs ein wahres Massaker unter Insekten und Vögeln. Bereits heute sind 1 200 Tonnen tote Fluginsekten durch WKAs pro Jahr zu beklagen. „Es handelt sich um eine Größenordnung, die durchaus relevant für die Stabilität der gesamten Population sein könnte.“ (Die Welt online, 17.3.2019) Bis zum Jahr 2030 kämen demnach plangemäß nochmal circa 600 Tonnen Insektenschredder dazu. Aber diese Zahlen scheinen hierzulande kaum einen zu interessieren, besonders nicht die Politiker. Die setzen noch einen drauf: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat einen 18-Punkte-Plan präsentiert, in dem der WKA-Ausbau dem aktuellen Naturschutzgesetz übergeordnet wird.  „Aufnahme eines weiteren Ausnahmegrundes beim Artenschutz für den Ausbau von erneuerbaren Energien“ heißt es in dem Papier. Natürlich sind die Insekten nicht nur durch WKA gefährdet. Zur Dezimierung beigetragen hat auch die intensive Umwandlung von Grünflächen und Wiesen in Monokulturen zwecks Anbau von Mais, der zu Biodiesel, Biogas und Biosprit verarbeitet wurde. Und auch diese Maßnahme, deren Umsetzung in den 1990ern begann, entsprach einem politischen Programm, das „von oben“ verordnet wurde. Um eine völlig abstrakte Größe wie das Weltklima zu retten, richtet man vor Ort massiven Schaden an natürlichen Strukturen an. Der zentralistische Ansatz, der dieser Politik zugrunde liegt, hat noch kaum jemals zu etwas Gutem geführt. Die Menschen vor Ort wissen immer noch am besten, wie sie Ökologie und Ökonomie miteinander versöhnen können. (DS)

Quellen: https://de.statista.com ; www.bmz.de

Tierfreundliche Materialien

Veganes Leder ist im Trend. Findige Forscher entdecken immer mehr Pflanzen, aus denen ein Material hergestellt werden kann, das mindestens so gut aussieht und sich mindestens so gut anfühlt wie Leder. Dabei fühlt sich diese pflanzliche Hülle nicht nur haptisch gut an, sondern auch innerlich, weil kein Tier dafür leiden und sterben musste. Verbreiteter als pflanzliches veganes Leder ist die Nachahmung aus Kunststoff. Pflanzliche Alternativen sind aber natürlich umweltfreundlicher und haben oft einen eigenen Charme.
Noch sehr jung ist die Erfindung zweier Mexikaner. Sie hatten die Idee, Leder aus dem Feigenkaktus herzustellen. Für Adriàn López Velarde, einen der beiden Erfinder, ist diese traditionelle Kulturpflanze Mexikos, die sogar das Wappen Mexikos ziert, der ideale Ausgangsstoff: „Der Feigenkaktus … ist ein Symbol für unser Land ..., wächst von selbst, braucht keine Bewässerung und verbraucht nicht viel Wasser.“ 1 López und seinem Kompagnon gelang es tatsächlich aus der Wüstenpflanze ein widerstandsfähiges, anmutiges Material herzustellen, das sie nun über ihre Firma Desserto Designern zur Verfügung stellen.
Eine traditionelle Pflanze Italiens ist sicherlich die Weinpflanze und diese ist auch der Lieferant für eine weitere Variante veganen Leders. Die Firma Vegea nutzt Haut, Stiele und Samen von Trauben, die bei der Weinproduktion übrig bleiben, und verarbeitet sie zu weichem, glattem und stabilem Material. Schon 2017 stellte das Unternehmen eine erste Modekollektion vor mit Kleidung, Handtaschen und Schuhen aus Weinleder. Laut Aussagen der Firma befindet sich Vegea noch in der Start-up Phase, möchte aber im Jahr 2022 mit einer groß angelegten Produktion beginnen. 2
Eine besondere Ästhetik hat Blattleder aus Teakholzblättern. Die Grundlage dafür sind in erster Linie Blätter, die von Teakholzbäumen herabgefallen sind. Die Bäume, die die Firma Ecomonkey hierfür nutzt, stehen im Norden Thailands. Mitarbeiter der Firma, die unter fairen Bedingungen arbeiten, sammeln die Blätter, färben sie und lassen sie an der Luft trocknen. Anschließend werden die Blätter mit Baumwolle vernäht, was dem Inneren der Taschen oder Geldbeutel eine weiche Struktur gibt. Außen werden die Blätter im Moment noch laminiert, wofür jedoch ein umweltfreundlicher Ersatz gesucht wird. Produkte wie Handtaschen, Geldbeutel oder Tablet-Hülle gibt es auf dem Online-Marktplatz Avocadostore. 3
Die Idee, Leder aus Ananasblättern zu gewinnen, besticht durch verschiedene Vorzüge: Die hierfür benötigten Blätter würden bei der Ernte ansonsten weggeworfen werden. Das heißt, es werden keine zusätzlichen Flächen für den Anbau und kein zusätzliches Wasser benötigt; die Landwirte haben aber durch den Verkauf der Blätter zusätzliche Einnahmen. Das Material ist ähnlich wie Leder reißfest, dehnbar und farbecht. Für die Öko-Branche entdeckt hat das Ananasleder die spanische Designerin Carmen Hijosa. Sie gründete die Firma Ananas Anam und arbeitet direkt mit Designern zusammen. Auf der Internetseite von Ananas Anam findet man Marken wie zum Beispiel Hugo Boss, die Pinatex, so heiІt das Ananasleder, verwenden. Taschen und Geldbeutel findet man auf der Internetseite Etsy. 4
Großes Potenzial wird auch in Pilzleder gesehen. Als Grundlage kann hier zum Beispiel Mycel dienen, also die unterirdische Wurzelstruktur von Pilzen. Das Start-Up Unternehmen Myco Works aus San Francisco arbeitet mit einem Verfahren, bei dem Mycel mit organischen Abfällen wie Maisschalen versetzt wird. Nach wenigen Tagen ist dieser Boden mit Pilzen überwachsen, das neu entstandene Gefüge kann dann in Form gepresst, getrocknet und pflanzlich gegerbt werden. Auf diese Weise entstand der Prototyp eines Geldbeutels aus dunklem Pilzleder. 5
In Berlin verarbeitet die Firma Zvnder Zunderschwämme zu veganem Leder. Sie bezieht diese Pilzart aus Rumänien, wo es in den ursprünglichen Waldgebieten ein großes Vorkommen an Zunderschwämmen gibt, die an Laubbäumen wachsen und traditionell genutzt werden. In Berlin werden diese Fruchtkörper dann zu Geldbeuteln, Uhrbändern oder Cappys verarbeitet und über die Homepage verkauft. 6
Artikel aus Korkleder bietet das deutsche Unternehmen bleed seit 2015 an. Es bezieht den Kork von Landwirten aus Portugal und stellt daraus Lederjacken für Männer und Frauen im Bikerstil, Gürtel und Geldbeutel her. Leider sind die Jacken gerade ausverkauft, man kann sich jedoch benachrichtigen lassen, wenn sie wieder verfügbar sind. 7 Kork wird aus der Korkeiche gewonnen, indem diese schonend geschält wird. Im Laufe ihres durchschnittlich 200-jährigen Lebens kann eine Korkeiche bis zu 15-mal geerntet werden und so einen Ertrag von bis zu 200 Kilogramm Korkrinde ermöglichen. Der Baum wird dabei weder beschädigt noch gefällt. Korkeichenwälder sind in Portugal besonders verbreitet und die Gewinnung von Kork ist hier traditionell ein wichtiger Landwirtschaftszweig. Mit der Nachfrage nach Korkleder unterstützt man also eine umweltfreundliche Landwirtschaft und das Bewusstsein für den Erhalt dieser besonders artenreichen Wälder.
Die bisherigen Erfindungen zeigen, dass die Möglichkeiten, Leder aus pflanzlichen Materialien herzustellen, noch lange nicht ausgeschöpft sind. Der Weg von so einer guten Idee bis zum marktreifen Produkt nimmt natürlich einige Zeit in Anspruch, aber wir dürfen auf jeden Fall weiterhin gespannt sein, was sich da tut. (AF)

1. www.gute-nachrichten.com.de

2. www.vegeacompany.com

3. www.avocadostore.de

4. www.ananas-anam.comwww.etsy.com/de/market/pinatex

5. www.mycoworks.com

6. http://zvnder.com/

7. www.bleed-clothing.com/deutsch/korkjacke-damen

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