CSA

Nachhaltige Landwirtschaft für die Gemeinschaft

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„Du bist, was du isst“, sagt der Volksmund. In einer Zeit der langen und verflochtenen Transportwege müssen wir uns die Frage stellen, was das eigentlich bedeutet. Alternativen gibt es einige: Produkte mit Charakter und erkennbarer Herkunft, Bioläden mit Augenmerk auf die Regio...
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CSA
Von Ingmar Jaschok, Osnabrück aus raum&zeit thema „Die Welt verändern – jetzt!”

Du bist, was du isst“, sagt der Volksmund. In einer Zeit der langen und verflochtenen Transportwege müssen wir uns die Frage stellen, was das eigentlich bedeutet. Alternativen gibt es einige: Produkte mit Charakter und erkennbarer Herkunft, Bioläden mit Augenmerk auf die Regionalität der Produkte, Abokisten, Bauernhöfe und Gärtnereien mit Direktvermarktung – und in den letzten Jahren verstärkt CSA-Projekte. Während die meisten Ansätze versuchen, Klarheit und Nachvollziehbarkeit für die Kunden herzustellen, gehen CSA-Gemeinschaften einen Schritt weiter. In ihnen werden die Kunden gewissermaßen selbst zu Gärtnern und Landwirten.

Der Begriff CSA ist aus dem Englischen übernommen und bedeutet „Community Supported Agriculture“, was als „Solidarische“ oder „Gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft“ übersetzt wird. 
Das Konzept verfolgt den Ansatz, die ursprüngliche, vielfältige und kleinbäuerliche Landwirtschaft zu erhalten, indem die Menschen, für die die Lebensmittel produziert werden, direkt auf den Hof geholt und einbezogen werden. Es ist der Versuch, die zwei Welten zusammenzubringen, in denen sich die Produzenten und Konsumenten, Bauern und Verbraucher bewegen, und Verständnis füreinander zu schaffen.

Produzieren für die Gemeinschaft

Die CSA-Projekte sind so unterschiedlich wie die Bedingungen der Betriebe. Gemeinsam ist die Idee, dass Landwirte und Gärtner für persönliche Kunden, aber nicht für den freien Markt produzieren. Letzteres bedeutet für die Landwirte, den Produktionsaufwand möglichst gering zu halten, um möglichst viel Gewinn abzuschöpfen. Das Resultat ist jedem bekannt: große Felder, bepflanzt mit einer Kultur, die mit großen Maschinen zeitsparend bearbeitet werden muss, um ein einheitliches Produkt zu erzeugen, welches sich dann im Wettbewerb gegen andere behaupten muss.
In CSA-Projekten suchen sich die Höfe Mitglieder, die den finanziellen Bedarf über das Jahr durch ihre Beiträge vorfinanzieren. So können sich Landwirte auf die Qualität konzentrieren. Die Erträge werden wieder unter den Mitgliedern der Gemeinschaft verteilt – der Kreis schließt sich. Außerdem besteht so kein Bedarf nach Unmengen einer Sorte. Es muss ein über das Jahr wechselndes vielfältiges Programm entstehen, erst so ist es für die Mitglieder interessant.

Pioniere in den USA

Der Begriff CSA existiert seit Mitte der 1980er Jahre. In den USA starteten an zwei Orten im Frühjahr 1986 Bauern und interessierte Menschen die ersten CSA-Farmen: Die Indian Line Farm in Massachusetts und die Temple-Wilton Community Farm in New Hampshire, die beide bis heute existieren. 1 Inspiriert durch die Ideen Rudolf Steiners, durch Erfahrungen in der biologisch-dynamischen Produktion von Lebensmitteln und mit dem Willen, etwas anders zu machen, gingen sie ans Werk. Mittlerweile hat sich diese Idee in Nordamerika herumgesprochen. So schätzt der Journalist und Autor Steven McFadden, der sich schon seit Jahren mit dem Thema beschäftigt, die Zahl der CSA-Gemeinschaften in den USA im Januar 2012 auf 6 000 bis 6 500 Stück. 2
In Deutschland ist man von solchen Zahlen noch weit entfernt. Obwohl Trauger Groh, einer der Mitbegründer des CSA-Projektes in New Hampshire, einige Jahre auf dem Buschberghof in Norddeutschland gearbeitet hat, bevor er in die USA ausgewandert ist 3, und auf dem Buschberghof auch schon seit 1988 gemeinschaftsgetragen gearbeitet wird4, breitet sich die Idee in Deutschland erst allmählich aus. Laut der Höfeliste der SoLaWi, der Initiative für solidarische Landwirtschaft, sind es im Moment 39 Höfe5 und zahlreiche Initiativen, die sich in Deutschland mit der solidarischen Landwirtschaft beschäftigen.

Hof Pente

Einen dieser Höfe hat Tobias Hartkemeyer mit einer Gruppe von interessierten Menschen im niedersächsischen Bramsche aufgebaut: den Hof Pente bei Osnabrück. Zusätzlich ist er mit Gleichgesinnten dabei, die CSA-Idee weiter zu verbreiten. Das Netzwerk „makeCSA“ bemüht sich um die Vernetzung der bestehenden CSA-Projekte in Deutschland, organisiert Seminare und versucht interessierten Höfen, Gärtnereien und Verbrauchern Informationen und Unterstützung zu bieten. Im Herbst 2010 organisierte Hartkemeyer zusammen mit seiner Frau Julia Infoveranstaltungen, die auf so großen Anklang stießen, dass im Frühjahr 2011 begonnen werden konnte, für 130 Mitglieder Gemüse, Getreide und Eier zu produzieren.6
Den 50-Hektar-Betrieb, auf dem seit über 30 Jahren nach Bioland-Richtlinien Ackerbau betrieben wurde, hat der Verein komplett umgekrempelt. Ein angrenzender Acker wurde als Gartenstück eingezäunt, Gewächshäuser, Kühl- und Lagermöglichkeiten gebaut und ein Gärtnerschuppen für Arbeitsgeräte und -maschinen aufgestellt. Inzwischen gibt es neben den Legehenen, die im Mobilstall über die Grünlandflächen wandern, Bunte Bentheimer Schweine in Freilandhaltung, eine kleine Herde Coburger Fuchsschafe und eine Gruppe Mutterkühe. Brot, das in einer Kooperation mit einem regionalen Biobäcker aus eigenem Getreide gebacken wird, Gemüse, Kartoffeln, Eier und hin und wieder Fleisch können sich die inzwischen über 200 Mitglieder jeden Freitag einpacken und mitnehmen. Zusätzlich gibt es im Sommer die Möglichkeit, Beeren und Obst zu pflücken.

Mitbestimmung und Austausch

Einige Mitglieder organisieren Fahrgemeinschaften, damit viele teilhaben können. Neben der Mitnahme frischer Nahrungsmittel fasziniert die Menschen auch, selbst zu erleben, was später auf dem Teller liegt, die Pflanzen beim Wachsen begleiten zu können und natürlich der persönliche Kontakt mit den Menschen vor Ort. So nutzen viele Mitglieder den Abholbesuch auf dem Hof für einen Spaziergang durch den Garten und zu den Schweinen, manche helfen auch während der Woche hie und da, einige sogar täglich.
Ein reger Austausch findet statt: Abendveranstaltungen, Mitmachaktionen, Newsletter mit einer Liste der Dinge, die am Freitag eingepackt werden können und einem Link, auf dem sie ihr Brot aussuchen können, das sie gebacken haben möchten. Jeden Monat gibt es einen Rundbrief mit Themen rund um den Hof und agrarpolitische Ereignisse.
Jedes Frühjahr werden Mitgliedsvereinbarungen für das nächste Jahr besprochen. Rund 80 Prozent der Menschen melden sich auch für ein weiteres Jahr an. Gründe dagegen sind der Aufwand, frisches Gemüse zu verarbeiten, terminliche Schwierigkeiten mit der Abholzeit – selten einmal wegen zu hohem finanziellen Aufwand. Diese Zeit zwischen April und Juli, zwischen der Frage der weiteren Mitgliedschaft und dem Beginn des neuen Wirtschaftsjahres ist für den Hof die spannendste. Die Mitglieder bekommen auch Einblick in die finanziellen Aufwände für Pacht, Personal und Unterhaltung von Gebäuden und Maschinen sowie Anschaffungen und Verkäufe, Saatgut-, Futter-, Tierarztkosten und anderes.
In vielen Projekten wird das Budget durch die Mitglieder geteilt, das Ergebnis ergibt den Mitgliedsbeitrag. Einige Höfe wie der CSA-Hof Pente folgen aber dem Beispiel der Temple Wilton Cummunity Farm7 und versuchen, den solidarischen Gedanken über den Hof hinaus bis in die Mitgliedsgemeinschaft hinein zu bringen und formulieren das Ergebnis des durchschnittlichen Mitgliedsbeitrages als „Richt-“ oder „Orientierungswert“. Die Gebote werden verdeckt abgegeben, zusammengerechnet und das Ergebnis bekannt gegeben. Wenn das Jahresbudget noch nicht gedeckt ist, wird der durchschnittliche Mehrbedarf mitgeteilt in der Hoffnung, dass ihn die Mitglieder freiwillig aufbringen.
Mittlerweile gibt es eine lange Warteliste – die Sache spricht sich rum, auch im TV und in der Zeitung wird immer wieder darüber berichtet.

Bioflatrate contra Nachhaltigkeit

CSA wird oft mit dem Begriff „Bioflatrate“ beschrieben, aber im Grunde geht es darum, genau diesen Gedanken hinter sich zu lassen. Wenn man so will, sind die beiden Prozesse Geld geben und Waren bekommen entkoppelt. Mit CSA wird versucht, dem Teufelskreis der marktbestimmten Preise für Waren dadurch zu entkommen, indem die Unterstützung der Mitglieder klar kommuniziert wird. Der Hof sammelt über das Jahr Spenden. Wenn der Bedarf gedeckt ist, müssen die Landwirte und Gärtner ihre Erzeugnisse nicht mehr verkaufen und können sie an die Mitglieder verteilen. Diese kaufen so immer seltener im Bioladen oder Supermarkt ein – der Wunsch, eine nachhaltige Landwirtschaft unterstützen und hautnah erleben zu wollen, nimmt zu. So unterstützt haben CSA-Projekte die Möglichkeit, den Weg des Strebens nach nachhaltigen Ansätzen und Arbeitsweisen zu gehen.
Vielfalt ist so kein Klotz am Bein mehr, welcher effektives Arbeiten verhindert, sondern eine Möglichkeit, den Mitgliedern ein Komplettpaket zu liefern. CSA-Projekte können auf maximale Ernteergebnisse verzichten und stattdessen alles dafür tun, sich durch Geschmack und Qualität abzuheben und an der Bodengesundheit zu arbeiten – noch intensiver, als es ökologische Landwirte schon tun. Anstatt im Gartenbau die im Labor gekreuzten CMS-Hybriden8 einzusetzen, können alte Gemüsesorten angebaut werden. Die Mitglieder sind nah dran am Hof und haben Verständnis für die Fragen, mit denen sich Gärtner und Landwirte, denen ihre Unabhängigkeit wichtig ist, auseinandersetzen. Interessante Einblicke liefert „Die Strategie der krummen Gurke“9, ein Film über eine CSA-Kooperative in Freiburg10 und über den Weg der Gärtner und Landwirte, die unabhängig von industriellen Erfordernissen qualitativ hochwertige Naturprodukte herstellen.

Auch den Tieren geht es besser

Ähnlich wie bei den Pflanzen ist CSA auch eine Chance für alte Nutztierrassen, die mit der Globalisierung der Tierzucht in Vergessenheit gerieten. Mit der Industrialisierung sind die alten Rassen aus den Ställen verdrängt und weltweit durch züchterisch stark bearbeitete Hochleistungsrassen ersetzt worden. Alte Rassen sind Ausdruck der Individualität von Gegenden und ihren Gegebenheiten, von Standorten und der Tradition der dortigen Landwirtschaft.
So bietet CSA für viele Menschen und Lebensbereiche entscheidende Vorteile:

  • Für Gärtner und Landwirte ist es die Möglichkeit, für und mit Menschen zu arbeiten, die den Umfang und die Härte der täglichen Arbeit sehen und respektieren und sich für ein gesundes, durch Menschenverstand geprägtes Maß einsetzen.

  • Verbraucher wissen so, woher das, was sie zu sich nehmen, kommt und darauf Einfluss zu nehmen.

  • Für die landwirtschaftliche Tradition ist CSA die Möglichkeit, dass wieder zusammen kommt, was zusammen gehört, Garten- und Ackerbau, Viehzucht und Obstbau – und eine Gemeinschaft die sich mit all dem verbunden fühlt.

  • Für die Nachhaltigkeit ist CSA die Möglichkeit, dass Bauern sich in ihrer Arbeit noch mehr dem Arbeiten mit der Natur verschreiben und die Erde auf Dauer gesund halten können.

  • Für die Gesellschaft bedeutet es schließlich die Begegnung mit einer gesunden Verbundenheit mit der Natur.

Der gartenbaulich-landwirtschaftliche Aspekt ist nur ein erster Schritt. Viele Höfe arbeiten bereits mit pflegebedürftigen Menschen, aber auch Kinder, Jugendliche, alte Menschen und Leute, die im normalen Leben den Bezug zu begreifbaren Werten vermissen, können von einer Gemeinschaft profitieren, die mit einem so lebendigen Hof verbunden ist.

Der Autor

Ingmar Jaschok, Jahrgang 1990, ist auf dem Bornwiesenhof, einem Demeter-Milchviehbetrieb mit eigener Milchverarbeitung im Hunsrück, aufgewachsen und macht nach Abitur und einiger Zeit in Schweden nun die Freie landwirtschaftliche Ausbildung des Erzeugerverbandes Demeter auf dem CSA Hof Pente bei Osnabrück. Nach freier Mitarbeit bei Presse und Radio während der Schulzeit schreibt er, neben der täglichen Arbeit, in seinem Blog in unregelmäßigen Abständen über Themen und Fragestellungen, die sich aus dieser und aktuellen Themen ergeben.
http://aufnerinsel.blogspot.com/

Fußnoten

1 http://templewiltoncommunityfarm.com/a-brief-history-of-the-farm/, http://www.indianlinefarm.com/history.html, abgerufen am 25.08.2013
2 http://thecalloftheland.wordpress.com/2012/01/09/unraveling-the-csa-number-conundrum/ gesehen 25.08.2013
3 http://www.newfarm.org/features/0104/csa-history/part1.shtml, gesehen 25.08.2013
4 http://www.buschberghof.de/Seiten/Utopie.html, gesehen 25.08.2013
5 http://www.solidarische-landwirtschaft.org/angebot, gesehen 27.08.2013
6 http://www.hofpente.de/
7 http://templewiltoncommunityfarm.com/a-brief-history-of-the-farm/, gesehen 27.08.2013
8 http://www.saveourseeds.org/dossiers/cms-hybride.html, gesehen 25.08.2013
9 http://www.cinerebelde.org/die-strategie-der-krummen-gurken-p-121.html?language=de, gesehen am 27.08.2013
10 http://www.gartencoop.org/tunsel/, gesehen 27.08.2013

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