Das Long Covid-19 Syndrom

Erfolgreich behandelt mit Komplementärmedizin

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©Dr. med. Friedrich Douwes

Eine Untergruppe von Covid-19-Patienten wird auch nach Abklingen der eigentlichen Erkrankung nur schwer wieder richtig gesund. Woran liegt das und was kann hier helfen? Dr. med. Friedrich Douwes berichtet über wissenschaftliche Erkenntnisse und Behandlungsansätze, die in seiner Klinik...
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Das Long Covid-19 Syndrom
Von Dr. med. Friedrich Douwes, Clinicum St. Georg, Bad Aibling – raum&zeit Ausgabe 234/2021

Eine Untergruppe von Covid-19-Patienten wird auch nach Abklingen der eigentlichen Erkrankung nur schwer wieder richtig gesund. Woran liegt das und was kann hier helfen? Dr. med. Friedrich Douwes berichtet über wissenschaftliche Erkenntnisse und Behandlungsansätze, die in seiner Klinik erfolgreich waren.

Wie kann man Menschen helfen, die eine Covid-Infektion hatten und weiterhin symptomatisch sind? Man spricht in diesem Fall von „Long-Covid-19-Syndrom“ oder „Post-Covid Syndrom“. Patienten, die davon betroffen sind, erholen sich nur schwer und ihre Symptome halten auch nach dem Verschwinden ihrer Coronavirus-Infektionen an.

Abb. 1 stellt nur einen Teil der Symptome dar, die solche Patienten aufweisen. Sie zeigen diese Symptome lange nachdem sie negativ auf das Covid-19-Virus getestet wurden. Meist handelt es sich um eine Mischung aus jüngeren Menschen, die eventuell gar keine Krankenhausbehandlung benötigten oder aber um ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen, die Covid-19 aber schon überstanden zu haben glaubten. Ihre Symptome betreffen Lunge, Herz, Muskeln, Nerven und das Zentralnervensystem. Die kognitiven Beeinträchtigungen, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen können mit einer eingeschränkten Fähigkeit zur Verhaltenskontrolle einhergehen. Die chronische Müdigkeit kann diese Patienten wochen- oder monatelang plagen. Manchmal verschwinden die Probleme vorübergehend, treten dann aber rezidivierend wieder auf. Die Patienten sind manchmal so verzweifelt, dass sie sich oft fragen, ob sie jemals über diesen Zustand hinwegkommen werden.
Man kann bei den Long-Covid-19 Patienten zwei Gruppen unterscheiden. Menschen der einen Gruppe leiden anhaltend unter Schäden an Lunge, Herz, Nieren oder Gehirn und können an dem jeweiligen Organ eine erhebliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit erleben. Bei der zweiten Gruppe sind keine Schäden an Organen erkennbar, hier fallen überwiegend Symptome der Schwäche auf. Dr. Anthony Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases an den National Institutes of Health, nimmt an, dass viele Patienten der zweiten Gruppe eine Erkrankung namens myalgische Enzephalomyelitis (ME) beziehungsweise Chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS) entwickelt haben. ME/CFS kann auch durch andere Infektionskrankheiten wie Mononukleose, Lyme-Borreliose und das schwere akute respiratorische Syndrom (SARS), eine weitere Coronavirus-Erkrankung, ausgelöst werden.

Mögliche Ursachen

Was könnten die Ursachen des Long-Covid-Syndroms sein? Prinzipiell ist Covid-19 nicht nur eine Atemwegserkrankung. Zwar beeinträchtigt das Virus oft zuerst die Lunge, aber bei vielen Menschen ist die Lunge nicht das am stärksten betroffene Organ. Das liegt zum Teil daran, dass Zellen an vielen verschiedenen Orten den ACE2-Rezeptor besitzen, der das Hauptziel des Virus ist. Warum kann der Körper bei einigen Menschen die Krankheit nicht so schnell vollständig überwinden? Bei manchen ist das Immunsystem geschwächt. Man kennt dieses Phänomen von vielen anderen Viruserkrankungen. Es ist zum Beispiel bekannt, dass Menschen, die eine Masern-Infektion hatten, über einen längeren Zeitraum immunsupprimiert und anfällig für andere Infektionen sind.
Dies kann auch bei Covid-19 der Fall sein, denn SARS-Viren, zu denen der Erreger von Covid-19 gehört, sind dafür bekannt, die Aktivität des Immunsystems zu verringern, indem es die Produktion von Signalmolekülen, den sogenannten Interferonen, reduziert. Nach der Vermutung von Dr. Fauci ist das größte Problem aber, dass viele Post-Covid-Patienten ein „Chronic Fatigue Syndrom“ (CFS) entwickeln, bei dem Entzündungen eine große Rolle spielen.

Ähnlichkeiten mit dem Chronischen Erschöpfungssyndrom

Wenn wir uns das Diagramm, Abb. 2, ansehen, sehen wir, dass sich die Symptome des Long-Covid-Syndroms und der Patienten mit CFS ziemlich überschneiden, man könnte CFS fast durch die Diagnose Long-Covid-Syndrom ersetzen.
Es ist Fakt, dass Patienten mit dem Post-Covid-Syndrom und solche mit CFS viele Gemeinsamkeiten haben. Beide Zustände haben erhöhte Spiegel von Zytokin-Wachstumsfaktoren wie Interleukin 1 (IL-1) und Tumornekrosefaktor TNF), die ja bekanntlich Entzündungen verursachen.
Die Hinweise auf entzündungsfördernde Wachstumsfaktoren, die mit dem Post-Covid-Symptomen in Verbindung gebracht werden, sind eindrücklich. Es ist daher mehr als logisch, wenn wir als einen der ersten Therapieschritte die vorliegende Entzündung reduzieren, um damit viele der Symptome des Post-Covid-Syndroms zu lindern.

Klinische Erfahrungen

Wenn wir uns die klinischen Ergebnisse einiger unserer Post-Covid-Patienten ansehen, verbesserte sich der Gesundheitszustand der Patienten, wenn wir die Entzündung medikamentös reduzierten. Wir haben zwar bisher nur wenige Patienten mit dem Long-Covid-Syndrom behandelt, aber wir konnten die Besserung, die nach Reduktion der Entzündungsprozesse eintrat, regelmäßig beobachten.
Zunächst einmal sehen wir, dass ein intravenös appliziertes NAD eine große Hilfe ist. Nicotinamidadenindinukleotid, abgekürzt NAD, ist ein Coenzym, das an zahlreichen wichtigen Reaktionen des Zellstoffwechsels beteiligt ist. NAD ist bei Post-Covid-Patienten erniedrigt und sollte anfangs substituiert werden. Leider ist jedoch intravenös applizierbares NAD in Deutschland nur schwer erhältlich. Man muss sich dann eben mit der oralen Variante begnügen, zum Beispiel mit NADH-10 Milligramm Tabletten, 4 bis 6 mal pro Tag unter die Zunge.

NAD für den Stoffwechsel

NAD verbessert die Funktion der Mitochondrien. NAD stellt den Mitochondrien die notwendigen Werkzeuge zur Verfügung, um mehr ATP zu produzieren, welches ja bekanntlich die Energiewährung unserer Zellen ist.
NAD hat auch einen signifikanten Einfluss auf die Sirtuinwege im Körper – Sirtuine sind multifunktionale Enzyme. Diese Wege sind bekanntlich auch eng mit unserer Langlebigkeit und Gesundheit verbunden. Es gibt eine Reihe von Arbeiten, die belegen, dass im Organismus nach einer Infektion der NAD-Spiegel reduziert oder sogar erschöpft ist.

Das Diagramm, Abb. 3, vermittelt eine gute Vorstellung von der Bedeutung des Sirtuin-Pfads. Eine positive Beeinflussung des Sirtuin-Signalwegs ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, um die Gesundheit der Long-Covid-Kranken zu verbessern. NAD hat sicherlich seinen Wert, aber wir müssen im Auge behalten, dass NAD auch Zellen Energie geben kann, die eigentlich hätten sterben sollen, was wir bei einem Patienten, der versucht sich zu erholen, nicht unbedingt wollen. Diese seneszenten Zellen können leider mehrere Probleme im Körper verursachen, wie zum Beispiel die chronische Sekretion entzündlicher Wachstumsfaktoren fördern. Seneszente Zellen sind einer der Gründe, warum Covid-19 häufiger bei älteren Menschen vorkommt. Mit zunehmendem Alter sammeln wir immer mehr von diesen alternden Zellen an. Ziel ist daher beim Post-Covid-Syndrom einen Teil der seneszenten Zellen zu eliminieren.
Für die allgemeine Gesundheit benötigen wir zwar noch einige seneszente Zellen, aber in deutlich reduzierter Zahl. Dies können wir durch die Verwendung sogenannter senolytischer Mittel erreichen. Einer dieser Wirkstoffe ist Quercetin. Es gibt auch einige andere Stoffe, die ebenfalls verwendet werden könnten.

Entzündungen reduzieren

Wir haben wie bereits erwähnt meist das Problem einer Entzündung nach einer Infektion. Es gibt keine einfache Lösung, um diese chronischen Entzündungen abzustellen. Wir kennen jedoch mittlerweile zahlreiche Methoden wie wir sie reduzieren können. Der Körper und seine Zellen sind wie die Hardware eines Computers und die Pfade sind die Computersoftware. Im Fall von Long-Covid sind wir daran interessiert, die Nrf2-Pfadsoftware zu stimulieren. Der Nrf2-Pfad ist der Thermostat der Entzündungshemmung. Aktivieren wir diesen Nrf2 Pfad, dann wird sich die persistierende Entzündung verringern, wie das im Diagramm, Abb. 4 veranschaulicht wird. Das Nrf2 stimuliert sozusagen die Computerhardware, es aktiviert Gene in den Zellen, die dann wichtige Verbindungen herstellen und eine Abnahme von Entzündungen bewirken.

Eine sehr gute Methode dafür ist die große Eigenblut-Behandlung. Durch die Blut-Ozonisierung werden im Organismus bestimmte „Ozonbotenstoffe“ erzeugt, die sich direkt positiv auf den Nrf2-Pfad auswirken. Wir verwenden die Ozon-Eigenblut-Therapie mindestens zehn Mal und ergänzen sie vor allem auch durch eine spezielle Supplementation, die wir speziell für diesen Zweck entwickelt haben, um den Nrf2-Weg zu stimulieren und positiv zu unterstützen.

Naltrexon für den Endorphin Spiegel

Eine weitere Möglichkeit, die bei der Reduzierung von Entzündungen bei Long-Covid hilfreich sein kann, ist der Einsatz von „Low Dose Naltrexon“ (LDN). Naltrexon in hoher Dosierung wurde sowohl in den USA, als auch in Europa zur Behandlung von Opioidsucht zugelassen. Für unsere Zwecke ist die Dosierung, die wir bei Post-Lymes-Syndrom als auch Long-Covid-Syndrom verwenden, viel geringer als bei Suchtproblemen. Sie liegt zwischen 1 und 4 Milligramm und sollte unmittelbar vor dem Schlafen eingenommen werden.
Naltrexon ist ein Gegenspieler der Opiat-/Endorphin-Rezeptoren. Endorphine sind Polypeptide, die von der Hypophyse und dem zentralen Nervensystem gebildet werden, um die Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin zu mäßigen. Endorphine helfen in erster Linie, Schmerzen und Entzündungen zu lindern sowie die Autophagie zu fördern und damit die Zellreinigung zu unterstützen. Wenn man zum Beispiel nach einem körperlichen Training ein „High“ bekommt, rührt dies typischerweise von der Freisetzung von Endorphinen her. Bei Personen mit Diagnosen wie Depression, Fibromyalgie, kognitiver Degeneration und Autoimmunität finden wir durchweg chronisch niedrige Endorphinspiegel. Insbesondere niedrige Spiegel eines Endorphins namens „Opioid Growth Factor“ (OGF). OGF ist ein Endorphin, das in den meisten Körperzellen gebildet wird, um sowohl das Zellwachstum als auch die Immunität zu beeinflussen und zu regulieren. Wenn niedrige Spiegel von OGF-Endorphinen vorhanden sind, ist es wahrscheinlich, dass diese Individuen Störungen des Immunsystems entwickeln. Es hat sich gezeigt, dass niedrig dosiertes Naltrexon (LDN) den OGF-Spiegel im Körper erhöht, was zu positiven Ergebnissen für diejenigen führt, die an einer der oben genannten Diagnosen leiden. Man sollte aber berücksichtigen, dass diese Wirkungen von Naltrexon nur mit niedrigen Dosen zwischen 1 und 4 Milligramm zu erreichen sind. Die niedrigeren Dosen blockieren die Aktivierung bestimmter Immunzellen, indem Rezeptoren auf der Zelloberfläche blockiert werden. Eine solche Herangehensweise war bei der Behandlung des chronischen Entzündungssyndroms und des Post-Covid-Syndroms bei uns bisher sehr erfolgreich.

Einsatz von embryonalen Stammzellen

Ein anderes Behandlungsprotokoll, das Wirksamkeit zu haben scheint, ist die Verwendung von embryonalen Stammzellen, die oft als V-Zellen bezeichnet werden. V-Zellen kommen in jedem von uns vor. Es gibt einige geeignete Methoden, um ihre Anzahl und Aktivierung zu stimulieren. Sie scheinen weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Systeme im Körper zu haben. Wir verwenden diese Zellen seit Jahren mit großartigen Ergebnissen.

Sauerstoff in die Zellen

Wir arbeiten regelmäßig bei diesen Patienten auch mit der Zelloxygenierung durch Intervall Hypoxie/Hyperoxie (IHHT) und verbessern damit geschwächte Mitochondrien. Wir regen damit nicht nur die Bildung neuer an, sondern wir verbessern auch die Sauerstoffaufnahme der Erythrozyten sowie deren Sauerstoffabgabe ans Gewebe. Neuere Studien haben nämlich ergeben, dass gerade die Sauerstoffaufnahme und -abgabe der Erythrozyten bei diesen Patienten gestört ist, bedingt durch eine chronische Verformung und Rigidität der Erythrozyten. Auch Singuletsauerstoffatmung in Kombination mit einem pulsierenden Magnetfeld kann hilfreich sein und findet regelmäßig Anwendung.

Zusammenfassung

Das Long-Covid-19-Syndrom ist die Bezeichnung für eine Spätfolge von Symptomen und Befindlichkeitsstörungen nach einer SARS-CoV-2 Infektion. Circa 30 000 Menschen sollen bereits an diesem Syndrom leiden und damit an einer erheblichen Einbuße ihrer Lebensqualität. Die Prognose lässt sich nur schwer abschätzen. Das Krankheitsbild ist nicht neu, sondern kann auch bei anderen viralen und bakteriellen Infekten auftreten. Daher sind verschiedene sinnvolle beziehungsweise kausale Therapieansätze analog möglich. Hauptkennzeichen des Syndroms ist die stille, schleichende Infektion sowie die Dysregulation verschiedener Vitalsysteme wie Darm, Hormone und Immunsystem. Da es sich offensichtlich um eine Multisystem-Erkrankung handelt, bedarf sie auch einer komplexen, ganzheitlich orientierten Therapie, um erfolgreich zu sein und dem Menschen den Weg zurück ins Leben zu ermöglichen.

Der Autor

Dr. med. Friedrich Douwes, geb. 27.5.1942, in Rhauderfehn, medizinische Ausbildung an den Universitäten Marburg, Zürich und Heidelberg, Assistenz in verschiedenen Kliniken der USA, 1975 Abschluss als Facharzt für Innere Medizin an der Universität Göttingen, Forschungen auf den Gebieten Onkologie, Hyperthermie, Immunologie, Elektrotherapie und Tumorbiologie bei Krebspatienten. Seit 30 Jahren leitet Dr. Friedrich Douwes als ärztlicher Direktor die onkologische Fachklinik „St. Georg“ und das Medizinische Versorgungszentrum (alle Kassen) in Bad Aibling.

Literatur

Lenzen-Schulte, Martina: „Long COVID; „Der lange Schatten von COVID-19“ Deutsches Ärzteblatt 2020; 117(49): A–2416 / B-2036 ; 13
Dr. med. Friedrich Douwes: „Kompletherapie der chronischen Borreliose: OM & Ernährung“; Sonderdruck; Ausgabe 164 / 2018

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