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Immobilienkrise, Geisterstädte und geschönte Zahlen 

Wie viel Zombie steckt in China?

Etwa drei Viertel aller Ersparnisse der chinesischen Bevölkerung stecken im Immobiliensektor, und dieser macht 25 Prozent der chinesischen Wirtschaft aus. Diese enormen Zahlen erklären sich teilweise daraus, dass die chinesische Zentralbank stetig neues Geld in diesen Sektor pumpte. Die Immobilienpapiere stiegen so jedes Jahr um 20 Prozent an. Dabei galt es lange Zeit als normal, dass die „Immobilien“ lediglich auf dem Papier bestanden, nicht in der Realität. Bald wurde der Bau bereits verkaufter Wohnungen durch den Verkauf neuer Immobilienpapiere finanziert – ein typisches Schneeballsystem. Nach und nach begann sich abzuzeichnen, dass die versprochenen Wohnungen wohl niemals fertiggestellt werden würden. Der Baukonzern Evergrande ist zu einer Art Damokles-Schwert über Chinas Wirtschaft geworden. Zum Teil versickerte das investierte Geld der Chinesinnen und Chinesen in ein Geflecht undurchsichtiger Kanäle, zum Teil entstanden aber auch unbewohnte Betonwüsten wie Kangbashi in der chinesischen Mongolei, bekannt als die größte Geisterstadt der Welt. Insgesamt sollen in China 65 Millionen Appartements leer stehen. Wer als Letztkäufer solche Wohnungen besitzt, den beißen die Hunde, er steht vor dem Nichts. Es ist fast unmöglich, den Wust an bürokratischen Verflechtungen zu sichten, um festzustellen, wer hier die Verantwortung trägt. Die chinesische Immobilienblase ist aber nicht etwa die Frucht eines „unregulierten Marktes“. Es ist die Konsequenz eines extremen Korporatismus, einer Mischung aus Planwirtschaft, Fiatgeld (beliebig vermehrbares Zentralbankgeld) und konzernbasiertem Wirtschaftssystem ohne echten Mittelstand. Sehr gut möglich, dass das Geld der hart arbeitenden chinesischen Bevölkerung – der Börsenguru Dirk Müller spricht von mehr als zehn Billionen US-Dollar – in Infrastrukturprojekte wie die neue Seidenstraße floss. Ein Großteil des China-Booms ist mit äußerster Skepsis zu sehen. So sollen zahlreiche Infrastrukturprojekte Industrieruinen sein. Das zentralistische System Chinas führt auch dazu, dass Gouverneure falsche Zahlen an die Zentrale melden, nur um positiv dazustehen. Der Gouverneuer von Liaoning musste zugeben, jahrelang bei den Wirtschaftsdaten übertrieben zu haben. Die Provinz stand nach den notwendigen Korrekturen nicht mehr als Musterregion dar, sondern als wirtschaftlicher Sorgenfall. Dass dies nur auf Liaoning zutrifft, ist sehr unwahrscheinlich. Es gilt: „Beamte machen Zahlen, Zahlen machen Beamte.“ Dirk Müller spricht denn auch von China als einem „Zombieland“, das eigentlich schon längst pleite ist, aber durch das Fiatgeldsystem künstlich am Leben erhalten wird. (DS)

Quelle: Expresszeitung Nr. 50

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