Olivenöl – Grünes Gold in Gefahr

Warum "extra vergine" als Qualitätsgarantie nicht mehr ausreicht

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© Melita Tilley

Seit Jahrhunderten ist die Heilkraft des Olivenöls bekannt. Doch wer weiß heute schon, ob sein Öl nicht mit giftigen Chemikalien verseucht ist?Moderne Herstellungsverfahren bergen die Gefahr, dass das flüssige Gold zu einer bedenklichen Mixtur verkommt. Es liegt am Verbraucher, die...
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Olivenöl – Grünes Gold in Gefahr
Von Melita Tilley, Nürnberg – raum&zeit Ausgabe 149/2007

Seit Jahrhunderten ist die Heilkraft des Olivenöls bekannt. Doch wer weiß heute schon, ob sein Öl nicht mit giftigen Chemikalien verseucht ist?
Moderne Herstellungsverfahren bergen die Gefahr, dass das flüssige Gold zu einer bedenklichen Mixtur verkommt. Es liegt am Verbraucher, die hohe Qualität wieder einzufordern und so das Olivenöl als wertvolles Heilmittel zu erhalten.

Mehr Olivenöl weniger Krankheiten

Studien an der Bevölkerung der Mittelmeerländer wie Griechenland, Spanien und Italien ergaben, dass die Menschen dort weniger an Herz-Kreislauf-Problemen oder Krebs erkranken. Außerdem leben sie länger und bleiben im Alter rüstiger als im übrigen Europa. Wandern sie gen Norden aus, übernehmen sie schon nach zwei Jahren die örtlichen Krankheitsneigungen. Untersuchungen ergaben, dass die Ernährung hierbei eine große Rolle spielt.1 Nach einer Studie an über 22 000 Griechen kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die überdurchschnittlich gute gesundheitliche Verfassung der im mediterranen Raum lebenden Menschen mit dem hochwertigen Olivenöl in ihrer Nahrung zu tun hat.2

Neueste Forschungen zum Olivenöl

Unter dem Titel „Helicobacter mag kein Olivenöl“ berichtet Martin Schäfer über eine Studie um Conceptión Romero am Instituto de la Grasa in Sevilla, Spanien.3 Dort wurde festgestellt, dass Olivenöl den Krankheitskeim Helicobacter pylori, der Magengeschwüre verursacht, in Schach hält. Im Salzsäurebad beobachteten Forscher zunächst, dass die Olivenölphenole den extrem sauren Bedingungen im Magen über Stunden trotzen können. Auch beigefügte Enzyme wie Pepsin spalteten die Phenole nicht auf. Bei weiterer Erforschung der verschiedenen Phenole mit Helicobacter stellte sich heraus, dass ein Phenol, Ty-EDA genannt, die Bakterien abtöten konnte. Dieses Phenol hatte eine antibiotische Wirkung sogar gegen acht verschiedene Stämme von Heliobacter, von denen einige bereits gegen Antibiotika resistent waren. Das Bakterium kann zu Magenschleimhautentzündungen führen. Helicobacter weist inzwischen bereits eine 10 bis 30-prozentige Resistenz gegen Medikamente auf.
Das im Olivenöl enthaltene Oleocanthal hat eine vergleichbare Wirkung wie das entzündungshemmende und schmerzstillende Ibuprofen. Das stellte Gary Beauchamp vom Monell Chemical Senses Center an der University of Philadelphia fest.4
Die im Olivenöl enthaltenen einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren verhindern Fettablagerungen in den Arterien, heißt es in einer vom Deutschen Ärzteverlag weitergegebenen Pressemitteilung Wake Forest University Baptist Medical Center in Iowa, USA. Bei dieser Studie wurden Mäuse mit sechs verschiedenen Fetten gefüttert. Nur diejenigen, die Fette mit einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu sich nahmen, entwickelten keine Plaques (Ablagerungen) in den Arterien. Die Plaques gelten als Hauptrisikofaktor für Arteriosklerose und Herz- beziehungsweise Schlaganfall. Ärzte in der Antike wussten das schon vor mehr als 2000 Jahren!
(Mehr dazu in: „Olivenöl – Die Medizin auf dem Teller“ von Ing. Manfred Bläuel und Prof. Dr. med. Robert Gasser)5.

Die Bio-Olivenfarm von Viktoria und Lassad Hassouna in Tunesien wo alles per Hand beziehungsweise mit Hilfe von Pferden, Eseln und Kamelen verarbeitet wird.

Warum Brustkrebs bei Olivenöl keine Chance hat

Wie Olivenöl durch seine Ölsäure ein wichtiges krebserregendes Gen in Brustkrebszellen unterdrückt, haben die Wissenschaftler in einer Studie um Javier Menendez von der Northwestern University in Chicago veröffentlicht.6 Die Zugabe von Ölsäure (Oleinsäure) zu Brustkrebszellen im Reagenzglas konnte die Aktivität des Onkogens namens Her-2/neu um 46 Prozent senken. Her-2/neu fördert die Zellteilung und somit ihre Entartung. Daher wird es mit einem aggressiven Tumorwachstum in Zusammenhang gebracht.
Die Forscher beobachteten außerdem, dass die Ölsäure des Olivenöls das Medikament Herceptin im Kampf gegen den Krebs zu unterstützen scheint. Durch weitere Studien wollen die Wissenschaftler nun herausfinden, wie die Ölsäure auf molekularer Ebene die Krebssubstanzen blockiert. Dies scheint auf andere Weise zu geschehen als beim Herceptin. Damit erhoffen sie sich bessere therapeutische Verfahren, um Krebszellen effizient abzutöten.

Verantwortung für das flüssige Gold

Auf der einen Seite ist Olivenöl eine hochwertige Medizin, auf der anderen Seite sorgen Verunreinigung mit Pestiziden und Weichmachern für Schlagzeilen. Die Stiftung Warentest berichtete 2005 unter dem Titel „Schmutziges Gold“7, dass sogar in besten und teuersten Olivenölsorten, sowie in Ölen mit Bio-Siegel, Verunreinigungen gefunden wurden. Die Gründe dafür werden bis heute nicht gerne oder nur mit äußerster Zurückhaltung diskutiert, schon wegen der Kosten für eine dadurch eventuell nötige Umstrukturierung beziehungsweise Umrüstung der Olivenpressen. Von den Gummischläuchen allein, die bei der Abfüllung nur kurz eine Rolle spielen, können die giftigen Substanzen wohl kaum herkommen.
Wer in den Wintermonaten die Arbeit in den Öl mühlen über Jahre mitverfolgt (wie mir das in Tunesien seit mehr als zehn Jahren vergönnt ist), stellt fest: Die altbewährten, für die Oliven gut verträglichen Materialien wie Holz, Stein, und Pressmatten aus Naturfasern, wurden inzwischen schätzungsweise zu 80 Prozent zuerst in Europa8, dann – nach dem europäischen Vorbild – in Nordafrika, mit großen Bottichen aus Metall und Pressmatten aus Plastik ausgewechselt. Der Verbraucher hat das Recht, dies zu wissen, denn dadurch wird die Qualität eines so wertvollen Produktes deutlich gemindert, wenn nicht sogar gefährdet. Nur ein bewusster Verbraucher kann durch gezielte Nachfrage diese bedauerliche Entwicklung stoppen. Bei dem Prädikat „natives Olivenöl“, „extra vergine“ und „ausschließlich mit mechanischen Verfahren hergestellt“, sollte er daher den Hinweis auf die bei diesen Verfahren eingesetzten Materialien fordern.

Alphagras-Matten zum natürlichen Pressen von Öl

Pestizide im Einsatz

Um die Ernte durch Maschinen zu erleichtern, werden mancherorts die Bäume, anstatt in einem Abstand von zwei Metern, so eng wie möglich zueinander gepflanzt: Ein gefundenes Fressen für die Schädlinge und Parasiten wie die gefürchtete Olivenfliege.
Die natürliche und ökologisch vertretbare Methode gegen diese ungebetenen Gäste ist das Einstäuben derBäume mit Asche oder das Anbringen einfacher Fallen an den Bäumen, wie den altbewährten Klebestreifen. Auch hier schwören die Alten auf die traditionellen Methoden und misstrauen den neuen. Zurecht, wie die Reste von Pestiziden, die in den meisten der 23 von der Stiftung Warentest geprüften Ölen gefunden wurden, beweisen. Außerdem: Nicht nur Plastik, auch Pestizide enthalten Phtalate.

Optimal für die Haltbarkeit des Olivenöls ist die traditionelle Lagerung in solchen Tongefäßen

Giftige Weichmacher

Weichmacher oder Phtalate sind Substanzen, die dem Plastik beigemischt werden, um die Geschmeidigkeit des sonst leicht brüchigen Materials zu gewährleisten. Öle lösen Weichmacher leicht aus der Verpackung und müssen deshalb weichmacherfrei verpackt sein. Unter den Weichmachern ist das Diethylhexylphtalat (DEHP) toxikologisch besonders kritisch. Die Krebs erzeugende Wirkung des DEHP wurde inzwischen in Tierversuchen nachgewiesen. Zudem greift DEHP in das Hormonsystem ein und beeinträchtigt die Fortpflanzungsfähigkeit vor allem des Mannes. Bei einem 60 Kilogramm schweren Menschen halten Toxikologen drei Milligramm pro Tag für die tolerierbare Höchstgrenze. Zwei anderen Phtalaten schreibt man Schädigungen der Leber, Niere und Lunge zu.
Das getestete Olivenöl der Marke „Gut & Gerne“ enthielt 75 Milligramm DEHP pro Kilogramm Öl.9 Zwei bis drei Esslöffel dieses Öls pro Tag genügen, um die Höchstgrenze zu erreichen. Damit verstieß das Öl auch gegen das Lebensmittelgesetz und hätte gar nicht in den Verkauf gelangen dürfen. Weil Phtalate heute überall vorkommen und sich summieren, sollte deren Aufnahme so niedrig wie möglich sein.10 Das gilt besonders für „gesunde“ Lebensmittel.

Plastikpressmatten in einer Ölmühle, die mit Plastik und Metall arbeitet

Geschenk der Götter

Denn das Olivenöl gilt nicht umsonst als Geschenk der Götter an uns Menschen. Es ist mehr als „nur“ ein Nahrungsmittel, es ist Medizin und Lebenselixier zugleich! In der griechischen Mythologie war es Athene, Tochter des Zeus und Göttin der Weisheit, die beim Wettstreit mit Poseidon um die Herrschaft über Attika den Sieg davon trug. Sie hatte einen Olivenbaum gepflanzt. Als Preis wurde Attikas Hauptstadt nach ihr Athen benannt. Der Ölbaum gilt demnach als Symbol des Lebens und des Friedens.11
In den Schriften aller Religionen werden sie – der Baum und sein Öl – hundertfach erwähnt. Mehr noch als der Wein versinnbildlicht das Olivenöl die Metamorphose, den alchemistischen Prozess der Materie: Die Olive erleidet die Pressung, wird zum flüssigen Öl. Das Öl verwandelt sich in der Lampe in Licht, strahlt und verflüchtigt sich als Äther im Universum. Die Mystiker sehen im Olivenöl daher die Spiegelung des Göttlichen, das auch dem Menschen inne wohnt, der erst durch Leid und Tod transformiert, zu seiner wahren Essenz findet.
Das Olivenöl, der Olivenbaum, seine Blätter, seine Rinde und seine Wurzeln, auch sein Holz (der Stab des Herkules war ein Olivenstamm) besitzen Heilkräfte, die inzwischen durch internationale Studien belegt werden. Priester, Philosophen und Ärzte haben seit jeher die spirituelle Bedeutung und die Heilwirkung des Ölbaumes und seiner Früchte hervorgehoben und sie unter anderem als Kräftigungsmittel und Antidepressivum verordnet.
Schon die Assyrer und die Alten Ägypter kannten die Heilkraft des Olivenöls. Von Ramses II (1290 bis 1224 v. Chr.) weiß man, dass er alle seine Gebrechen mit Olivenöl behandelte. Die reinigende und entgiftende Kraft des Olivenöls nutzten die Sportler in Griechenland und später in Rom, indem sie ihre Körper dick damit einrieben. Nach einer bestimmten Zeit wurde die Ölschicht mit „strigil“, einem Spezialschaber, mitsamt dem Schweiß und Staub wieder entfernt. Das Olivenöl schützte sie außerdem vor Kälte, Sonnenbrand und Insekten.
Mit dem Stolz auf den technischen Fortschritt gerät Altbewährtes in Vergessenheit. Zugegeben: Der gestiegenen Nachfrage, die eine Verarbeitung großer Mengen an Oliven in kürzester Zeit erfordert, würde die frühere Methode heute kaum genügen. Das Wissen der Alten in Verbindung mit neuen Werkstoffwissenschaften könnte uns meines Erachtens nach jedoch zu optimalen Lösungen verhelfen, die den Verbraucher wie den Erzeuger zufrieden stellen. Wie die jüngste Geschichte um Bio-Angebote zeigt, kann gerade der Verbraucher durch gezielte Nachfrage und einen bewussten Einkauf eine Umstellung herbeiführen.

Alte Ölmühlen

Der steinige und mineralstoffreiche Boden des Mittelmeerraums, ganz besonders die rote Erde Nordafrikas, ist für den Anbau von Oliven ideal. Entsprechend findet sich eine große Vielfalt an Olivenbäumen in Tunesien. Abseits der Touristenpfade auf der tunesischen Insel Djerba und in den verlassenen Berberburgen in Südtunesien, wo die Oliven noch mit hohlen, über die Finger gestülpten Ziegenhörnern per Hand geerntet werden, findet man noch alte Ölmühlen. Dem Verfall preisgegeben, haben sie nichts von ihrem sakralen Zauber verloren. Es handelt sich um wahre architektonische Wunder. Oft erkennt man sie nur an den vielen runden Kuppeln, die wie Brüste einer Fruchtbarkeitsgöttin aus dem Boden ragen. Der Rest liegt unter der Erde, was die Temperatur in der Mühle bei 18° C konstant hält. Als Material für die Konstruktion dieser Mühlen dienten ausschließlich Stein und Holz. Die Oliven und ihr Öl kamen mit keinem anderen Material in Berührung, mit Ausnahme der Matten aus Alphagras, zwischen denen die aufgebrochenen Olivenfrüchte gepresst wurden. Das Öl wurde lichtgeschützt und kühl in gewaltigen bauchigen Tongefäßen gelagert, die oft zur Hälfte in der Erde eingegraben waren.
Offenbar wussten die Alten auch ohne chemische Analysen um die mimosenhafte Empfindlichkeit des Olivenöls. Nicht genug damit, dass es weder Licht noch Hitze verträgt. Es nimmt auch alles aus der Umgebung in sich auf, ob Zigarettenrauch, Abgase oder Aromen der Kräuter und Blumen des Bodens, von dem es stammt.
Dieses Öl war sicher reine Medizin. Vielleicht trifft man deshalb auf Djerba noch so häufig auf über Hundertjährige bei ihrem täglichen Spaziergang. Es heißt, wer täglich ein Glas Olivenöl trinkt und einen Teelöffel Honig isst, wird uralt und stirbt gesund.

Olivenbaum: hier ein wahrer Veteran auf Djerba

Mechanische Verarbeitung heute

Die mechanische Pressung wurde inzwischen modernisiert, nicht zuletzt um die Lagerzeit der geernteten Oliven zu verkürzen, indem man große Mengen in kurzer Zeit zu Öl verarbeiten kann. Das ist sicher ein Vorteil. Für eine gute Qualität ist es wichtig, dass die Oliven sofort nach der Ernte in die Presse kommen, um Schimmelgefahr zu vermeiden. Außerdem steigt bei der Lagerung der Anteil an freien (gesundheitsschädlichen) Fettsäuren (siehe Absatz "Qualitätsbezeichnung").
Leider mussten die Bottiche aus Stein immer öfter großen Metallpfannen weichen. Metall jedoch – es sei denn, es handelt sich um das hochwertige Inox – kann die Chemie des Öls nachteilig verändern und seine Qualität schädigen. Inox-Stahl gilt zurzeit als das beste und verträglichste Material für die Lagerung des Olivenöls.

Medizinisches Olivenöl aus der Apotheke

Um die hochgelegenen Berberdörfer im Norden Tunesiens, Takrouna und Jeradu, wachsen wilde Olivenbäume, deren sehr kleine Früchte nur 2 Prozent an Öl ergeben. Dieses Öl ist jedoch so hochwertig, dass es in Belgiens Apotheken als „medizinisches Olivenöl“ verkauft wird, erzählte mir Noureddine Hassouna, der auch als Tester für die OSZE, die Organisation für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung, auf dem Gebiet der Oliven und des Olivenöls, arbeitet. Er wie sein Bruder Lassad entstammen einer in ganz Tunesien für ihren Olivenanbau bekannten Familie.
Das staatliche Office Nationale de l’Huile (ONH), das nach der Unabhängigkeit Tunesiens den Landwirten den Direktvertrieb abnahm, ermutigt und fördert inzwischen jene unter ihnen, die einen eigenen Weg gehen wollen, um auch im Ausland dem tunesischen Olivenöl die Anerkennung zu verschaffen, die ihm schon lange gebührt. Dass dies ein schwerer Schritt ist, das wissen Lassad und seine aus Düsseldorf stammende Frau Viktoria, die ihr Bio-Olivenöl nach der altrömischen Stadt Sabra im Herzen Tunesiens tauften. Sie haben sich eigene Abfüllung in Flaschen und Direktvermarktung zum Ziel gesetzt. Überrascht waren sie, dass relativ viele Abnehmer im Ausland – darunter sogar Bio- und Naturkostläden – zugunsten eines neutraleren Geschmacks das wertvolle Öl vor dem Abfüllen gefiltert haben wollen: Ein Vorgang, bei dem ausgerechnet die für die Gesundheit wertvollsten Ölsäuren verloren gehen!

Olivenöl als Medizin

Von seiner heilenden und antibakteriellen Wirkung erzählt bereits die Geschichte vom barmherzigen Samariter, der Wein und Öl in die Wunde eines Verletzten gießt. Der griechische Arzt Hippokrates (ca. 500 v. Chr.) empfahl das Olivenöl bei allgemeiner Erschöpfung, zum Ausheilen von Bronchitis, Geschwüren und Cholera sowie zum Knochenaufbau bei Kindern.
Heute wissen wir: Das kaltgepresste, naturbelassene Olivenöl enthält bis zu 80 Prozent einfach und bis zu 15 Prozent mehrfach ungesättigte Fettsäuren mit stark antioxidativer Wirkung, davon bis 1,5 Prozent Linolsäure (Omega-3), den Tagesbedarf deckend. Zudem bis zu 2 Prozent Phenole, Polyphenole, Squalen, Tocopherole, Flavonoide, und andere.
Die Fettsäurezusammensetzung von reinem Olivenöl gleicht der Haut des menschlichen Körpers und der Muttermilch. Das Olivenöl ist außerdem reich an Vitaminen E, A und D. Es enthält Eiweiß, Chlorophyl und Lezithin, wertvolle Spurenelemente (z. B. Eisen) und Mineralstoffe wie Kalium, Kalzium, Magnesium und Phosphor, einschließlich Karotin.
All diese Inhaltsstoffe schützen vor frühzeitiger Alterung, Herz-Kreislauferkrankungen, Osteoporose und sogar vor Krebs. Vor allem Oleuropein wirkt blutdrucksenkend, krampflösend, schützt vor Herzrhythmusstörungen und erweitert die Blutgefäße. Durch die Abspaltung von Wasser (Hydrolyse) zerfällt Oleuropein in zwei weitere Substanzen. Eine davon, die Elenolsäure, wirkt stark antimikrobiell gegen Bakterien, Viren und Pilze. Die zweite, das DPE, wirkt hemmend auf die Bildung von Enzymen, die bei Entzündungen, Arteriosklerose und sogar bei Krebs eine Rolle spielen.

Überblick über die dem Olivenöl zugeschriebene Wirkung:
• Beugt Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor.
• Verdünnt das Blut und vermindert dadurch das Thrombose-Risiko.
• Senkt den Blutdruck (Tee oder Auszug aus Olivenblättern bei hohem Blutdruck und gegen Magen- und Darmparasiten).
• Erhöht das „gute“ HDL- und senkt das „schlechte“ LDL-Cholesterin.
• Beugt Übergewicht, Diabetes und Darmerkrankungen vor (Darmspülungen mit Olivenöl waren von der Antike bis in das späte Mittelalter üblich).
• Schützt als gutes Antioxidans vor freien Radikalen und durch das Onkogen Her2/neu vor Krebs, ganz besonders vor Brustkrebs.
• Wirkt durch das Oleocanthal schmerzstillend.
• Schützt nicht nur die Magenschleimhaut und reduziert überschüssige Magensäure, es reduziert sogar bereits bestehende Magengeschwüre und trocknet sie dank seiner Phenole, vor allem des Phenols Ty-EDA, aus.
• Die Ölsäure erleichtert die Verarbeitung schwerverdaulicher Stoffe, indem sie diese für den Darm aufschließt.
• Fördert den Abfluss der Galle in Richtung Darm und beugt Gallensteinen vor.
• Stärkt und schont die Leber und die Blase.
• Schützt durch das Vitamin E Gehirn und Nerven vor einem verfrühten Alterungsprozess.
• Die Ölsäure unterstützt den Aufbau der Knochen und beugt Osteoporose vor.
• Lindert Gelenkschmerzen und wirkt antirheumatisch und entzündungshemmend auch auf die Haut, weshalb es sich hervorragend zur Behandlung und Pflege in der Kosmetik eignet.
• Nährt die Muskulatur, ist heilungsfördernd und desinfizierend.

Barriere und Betrug durch EU Subventionen

In der EU wird Olivenöl mit 1,30 Euro pro Liter subventioniert. Das bedeutet für die meisten Erzeuger aus Nicht-EU-Ländern eine Preisminderung, die sie nicht ausgleichen können.
Mort Rosenblum kritisiert die oben genannten Subventionen, die zu großangelegtem Betrug verleiten. Im Jahr 1999 gibt er den Schaden durch Betrug mit vier Milliarden Euro pro Jahr an (damals acht Milliarden DM).
Er erwähnt nicht nur virtuelle Oliven-Anbauflächen und fiktive Olivenöl-Transporte, sondern auch den allzu kreativen Einfall eines Geschäftsmannes in Süditalien, der die mit Hubschrauber durchgeführten EU-Kontrollen aus der Luft zu täuschen suchte, indem er Plastikbäume aufstellte …

Qualitätsbezeichnung

Olivenöl wird ausschließlich aus den vollreifen, also dunklen Oliven gewonnen. Die Grünen werden vor ihrer Reife geerntet, in Salzlake oder Essig gebeizt und mit Kräutern, Knoblauch oder anderen Zutaten und Gewürzen zum Verzehr angeboten.
Für die medizinische und kosmetische Anwendung eignet sich ausschließlich Olivenöl mit dem Prädikat „natives Olivenöl extra“ oder „extra vergine“ (höchstens 1 Prozent freie Fettsäure auf 100 Milligramm Öl, das mit rein mechanischen Verfahren gepresst wurde). Des Weiteren spielen Geschmack, Geruch und Farbe beim Qualitätsurteil eine Rolle. Der Kauf des Olivenöls ist Vertrauenssache. Ideal sind Öle mit der genauen Angabe/Adresse ihrer Herkunft, am besten natürlich der Kauf direkt vom Erzeuger.
Steht nur „Olivenöl“ auf dem Etikett, handelt es sich um einen Verschnitt von raffiniertem Öl, dem später kaltgepresstes Öl beigemischt wurde.
Zum Raffinieren sind jedoch immer Hitze und chemische Zusätze nötig.
Als Verpackung eignen sich am besten dunkle Glasflaschen. Bei kühler Lagerung (18°C) sollte ein gutes Olivenöl mindestens zwei Monate nach der Pressung seine Höchstqualität beibehalten.

Einige Beispiele für Olivenöl in der Kosmetik:
Das Olivenöl kann man je nach Verwendung anrühren
• mit Zitrone als Sonnenschutz und Gesichtspflege gegen Fältchen
• mit Lavendel-, Rosmarin-, Rosen-Essenz unter anderem zur Pflege von Haut und Haar. Diese Mischung eignet sich auch als Prävention gegen Besenreiser und Krampfadern
• mit Honig oder Heilerde für Masken
• mit Salz oder Heilerde für Peeling, und vieles andere mehr.

Beispiel eines ökologischen Gesamtkonzeptes

Über Lassads und Viktorias Bio-Olivenfarm war schon in der letzten Ausgabe der raum&zeit im Zusammenhang mit den Wildbienen zu lesen, die ihre bisher 35 000 Olivenbäume bestäuben. Bis zum Jahr 2010 soll die 400 Hektar umfassende Plantage, weitab von der Zivilisation im Schatten des Atlasgebirges gelegen, auf 110 000 Olivenbäume aufgestockt werden. Von der Kultivierung bis zur Ernte geschieht hier alles ausschließlich in Handarbeit. Als Hilfe zugelassen sind nur Pferde, Esel und Kamele, deren Dung ebenfalls den Ölbäumen zugutekommt. Lassads Arbeiter, die Bewohner der Einzelhöfe ringsum, unterstützen ihn bei seinem Projekt mit dem alten Wissen ihrer Ahnen. Sie sind froh und glücklich darüber, dass sie bei ihm Arbeit gefunden haben, mit der sie von Kindesbeinen an vertraut sind, anstatt fernab ihrer Familien in der Fremde ihr Auskommen suchen zu müssen.

Alte Ölmühle auf Djerba, von der man "oberirdisch" nur die Kuppeln sieht

Lassad und Viktoria Hassouna, deren altes Haus direkt an die mächtige Mauer einer Olivenpresse aus der Römerzeit gebaut ist, haben begonnen, ihr Ökosystem mit Solarenergie zu ergänzen. Das Wasser dürfen sie mit staatlicher Erlaubnis aus einem nahegelegenen Reservoir auf ihre Plantage pumpen. Es wird von den Quellen aus den Bergen ringsum gespeist. Weder Autos nochlandwirtschaftliche Maschinen werden ab 2010 auf der Farm erlaubt sein. Für den Transport von Menschen und Gütern stehen zwei Kutschen, Pferde und Esel bereit.
Ein Olivenmuseum und ein Verzeichnis mit den Pflanzen und Heilkräutern der Region, ihrer Wirkung und Verarbeitung soll das Angebot eines auf 18 Personen begrenzten Öko-Tourismus ergänzen. Die Oliven werden in Luft durchlässigen Kisten in die eigene Ölmühle transportiert, die – wie noch zwei andere Ölmühlen – seit drei Generationen zum Familienbesitz gehört. Die traditionelle Pressung (Steinbottich, Alphagras-Matten) wird durch die Lagerung des Öls in Inox-Zisternen ergänzt, von denen eine 900 Tonnen fasst. Das Olivenöl kann darin bis zur Abfüllung vor Licht und Hitze geschützt bei einer gleichbleibenden Temperatur lagern, ohne dass die Bio-Qualität darunter leidet, wurde mir zugesichert. Zusätzlich zur Kontrolle durch die internationale Kontrollorganisation ECOCERT steht den beiden Milvio Avogadro, Professor für Lebensmittel- und Ernährungsforschung in der Schweiz, beratend zur Seite.
Nicht nur für Tunesien, auch weltweit dürfte das Projekt dank seines ganzheitlichen Konzeptes bis jetzt einzigartig sein. Über Olivenanbau und Olivenverarbeitung, einschließlich vieler Geheimnisse, Tipps und Tricks in der vielseitigen Anwendung des Olivenöls, gibt Viktoria Hassouna in ihrem anschaulich bebilderten Buch „Natives Olivenöl“ vieles preis.12 So manches davon hat sie von ihrer tunesischen Schwiegermutter übernommen, deren Wissen wiederum über viele Generationen zurück reicht. Warum das Olivenöl als der König unter den Ölen gilt, beschreibt unter anderem auch Birgit Frohn in: „Natürlich heilen mit Olivenöl“.13

Mit dieser Steinmühle wurden früher die Oliven aufgebrochen. Sie wurde von einem Esel oder Kamel bewegt.

Ölzweig im Herzen

„Wann endlich werden Menschen einen Ölzweig in ihre Herzen pflanzen?“, fragte Jean Gilleti, ein Kardiologe aus dem französichen Nyons, anlässlich eines Treffens der „Bruderschaft der Kavaliere des Olivenbaums“. Bei der Aufnahme in die Bruderschaft muss der Novize unter anderem geloben:
„den Olivenbaum und alle seine reichen Gaben, die materiellen wie die spirituellen, zu ehren und sich in den Dienst des Olivenbaumes zu stellen, der Fülle, Nahrung, Licht, Weisheit und Frieden verkörpert und ein Symbol des Lebens ist.“
Was den Alten heilig war, sollte auch uns heute billig sein. Es geht darum, einen Kompromiss zu finden, der das Band der Freundschaft zwischen dem Olivenbaum und dem Menschen nicht reißen lässt.
Der Verlust eines solch göttlichen Geschenks wäre unverzeihlich. Denn liegen nicht wahre Innovation und Weisheit in der Versöhnung zwischen Fortschritt und Tradition? Nicht die Kritik an bestehenden Gegebenheiten sollte uns beunruhigen, sondern die Frage: „Was können wir in Zukunft besser machen?“

Die Autorin

Melita Tilley, Übersetzerin und Dolmetscherin. Publikationen auf dem Gebiet der Alternativen Heilmittel und -methoden. Auch Gebräuche, Tradition und Kultur anderer Völker sind Teil ihres breit gefächerten Interessengebietes.

Fußnoten

1 „Adherence to a Mediterranean Diet and Survival in a Greek Population“, New England Journal of Medicine, (July 23) 2003
2 ebd.
3 ddp/wissenschaft.de, veröffentlicht in: Agricultural and Food Chemistry, Bd. 55, S.680
4 Beauchamp, Gary et al., veröffentlicht in: Nature, Bd. 437, S. 45
5 Bläuel, M. und Gasser, R.: „Olivenöl – Die Medizin auf dem Teller“, Verlagshaus der Ärzte, Wien 2005
6 Menendez, Javier: Annals of Oncology, Online Vorabveröffentlichung: DOI:10.1093/annonc/mdi090, www.wissenschaft.de (24.5.07)
7 Stiftung Warentest: „Schmutziges Gold”, 2005, Heft 10
8 Rosenblum, Mort: „Oliven, Kulturgeschichte einer göttlichen Frucht, Piper Verlag, München 2000
9 Stiftung Warentest: „Schmutziges Gold”, 2005, Heft 10
10 Die Schweiz reagierte, wie bei Mobilfunk, umgehend zum Schutz der Bevölkerung: Phtalate DEHP, DBP und BBP sind seit 1.1.2007 auf 0,1% begrenzt, in kosmetischen Artikeln sind sie bereits seit Januar 2006 untersagt. In der EU dagegen steht ein Verbot von Phtalaten erst ab 2015 zur Diskussion.
11 Rosenfelder, Regina: „Lebenselixier Olivenöl. Das heilige Geschenk der Götter“, Heyne Verlag, München 1999
12 Hassouna, Viktoria: „Natives Olivenöl“, Books on Demand, Norderstedt 2007 (Voraussichtlicher Erscheinungstermin Anfang September)
13 Frohn, Birgit: „Natürlich heilen mit Olivenöl“, Midena Verlag, Augsburg 1998

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