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Infopunkte Naturwissenschaft

raum&zeit-Ausgabe 229

Gehirne müssen nicht degenerieren

Zweihundertundfünfzig Jahre alt – und kein bisschen gealtert. Und vermutlich hat er dann gerade mal die Hälfte seiner Lebensspanne hinter sich: der Grönlandhai, das langlebigste Wirbeltier (alle Tiere mit Wirbelsäule) der Welt. Forscher von der Universität Freiburg konnten nun das Gehirn eines circa 250 Jahre alten Grönlandhais unter dem Mikroskop näher untersuchen. Er war als Beifang isländischen Wissenschaftlern ungewollt ins Netz gegangen. Die seltenen Tiere weisen einige Besonderheiten auf. Erst nach 200 Jahren sind sie geschlechtsreif. Sie wachsen nicht mehr als 1 cm pro Jahr in der Länge. Nach 500 Jahren sind sie dann 5 m lang. Wahrscheinlich leben heute noch Exemplare dieser Spezies, die während der Hochrenaissance, der Zeit von Michel-angelo und Leonardo da Vinci, geboren wurden. Grönlandhaie bevorzugen eiskaltes Wasser und bewegen sich nur sehr langsam. Durch ihren reduzierten Stoffwechsel und die geringen Belastungen sind auch ihre Gehirnzellen kaum oxidativem Stress durch aggressive chemische Stoffwechsel-Abbauprodukte ausgesetzt. Man muss wissen: Im Gegensatz zu normalen Körperzellen vermögen sich Gehirnzellen kaum zu regenerieren. Daher sind sie dem Zahn der Zeit besonders stark ausgesetzt – von der Zellphysiologie über die Gewebeintegrität bis hin zur neuronalen Architektur. Die Analyse des alten Hai-Gehirns durch die Freiburger Forscher zeigte weder Ablagerungen, Zellverluste, verändertes Gewebe, geschrumpfte Hirnregionen noch neurodegenerative Veränderungen. Unter den über hundertjährigen Menschen dagegen sind völlig intakte Gehirne die Ausnahme. Rund 40 Prozent aller über 90-Jährigen in Deutschland sind an Alzheimer erkrankt, etwa 400 000 Menschen leiden an Parkinson. Bislang glaubte die medizinische Forschung, dass derartige neurodegenerativen Krankheiten zum großen Teil erblich oder altersbedingt seien. Dass der Grönlandhai ein quasi nicht alterndes Gehirn hat, werten die Forscher als Hinweis, dass das Alter nicht das Hauptrisiko für neurodegenerative Erkrankungen sein müsse. „Vielmehr sind neben genetischen Faktoren auch Umwelteinflüsse und speziesspezifische Faktoren entscheidend“, sagt Daniel Erny, Forschungsleiter am Universitätsklinikum Freiburg. (DS) 

Quelle:  www.scinexx.de

3D-Druck - die Revolution blieb aus

Noch vor wenigen Jahren galt 3D-Druck (auch als additive Fertigung bezeichnet) als revolutionäres Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“. Viele Alltagsutensilien würde man mit dem eigenen 3D-Drucker daheim ausdrucken oder beim 3D-Print-Shop um die Ecke fertigen lassen: Kontaktlinsen, Nagelfeile, Geschirr, Schuhe usw. Dabei werden Materialien wie Kunststoffe, Keramiken, Metalle oder Graphit in flüssiger oder fester Form schichtweise nach digitalen Datensätzen (CAD = Computer Aided Design) aufgetragen, bis das Werkstück fertig ist. Eine weltweit vermehrte Nutzung von 3D-Druck würde einige Vorteile bieten: Weniger Umweltbelastung durch Transporte beispielsweise, denn statt die Waren mit hohem Energieaufwand zu befördern, werden einfach die Daten mit Lichtgeschwindigkeit übers Internet verschickt. Kostspielige Lagerhaltung entfällt: speichern statt lagern. Da das Aufbewahren der Produktionsdaten praktisch kaum Kosten verursacht, dürfte sich auch die Lebensdauer von Maschinen verlängern, denn Ersatzteile können so quasi immer zur Verfügung gestellt werden. Und auch das Problem der industriellen Überproduktion (durchschnittlich 10 Prozent) könnte der Vergangenheit angehören. Überdies würden Kosteneinsparungen durch Verlagerung in Billiglohnländer hinfällig mit der Folge, dass die Produktion in die Länder der Firmenstammsitze zurückgeholt würde. Idealerweise würden natürlich auch die Rohmaterialien aus der Region stammen. „Empowerment-Fans“, die eine konzernunabhängige, autonome Regional-Wirtschaft („Distributed Capitalism“) anstreben, frohlockten angesichts dieser Aussichten schon. Doch ganz so schnell kam es denn doch nicht. Für den Heimgebrauch bietet der Markt zwar inzwischen erschwingliche 3D-Drucker (ab 99 Euro) an, allerdings kann von einem Durchbruch auf diesem Sektor noch keine Rede sein. Kleine Spielfiguren, Becher oder Schmuck sind mehr Gags als wirklich brauchbare Produkte. Die ursprünglich mal angedachte Dezentralisierung der Produktionsstätten durch ein globales 3D-Netzwerk und Verlagerung in die Wohnungen bzw. lokalen Druckzentren ist deutlich ins Stocken geraten. Anders sieht es in der Industrie aus. Besonders in der Autobranche, der Luft- und Raumfahrt sowie der Medizintechnik sind 3D-Verfahren stark verbreitet. Beispielsweise werden im Airbus A350 über 1 000 gedruckte Bauteile verwendet. 3D-Druck-Teile sind häufig durch die Gitterstruktur deutlich leichter bei unveränderter Stabilität. Und besonders Ersatzteile für Maschinen aller Art werden heute schon häufig nur als digitaler Datensatz heruntergeladen und dann in der Werkstatt ausgedruckt. (DS)

Energie aus Nano-Diamanten

Die Idee für Nuklearbatterien gibt es schon seit mehr als 100 Jahren. Der englische Physiker Henry Mosely demonstrierte ihre Machbarkeit 1913, als er radioaktive Strahlung aus Betazerfall in elektrische Energie umwandelte. Man nennt diese Art der Energiegewinnung Betavoltaik. (Zu unterscheiden von radioaktiven Thermoelementen RTG Radioisotope Thermoelectric Generator; diese nutzen die Wärme des radioaktiven Zerfalls). Das beim Betazerfall emittierte Elektron wird direkt in Elektrizität umgewandelt. 1954 entwickelte die Radio Corporation of America die erste betavoltaische Batterie für Armbanduhren, Hörgeräte und Kofferradios. Die Erfindung wurde damals in ihrer Tragweite mit Edisons Glühbirne einige Jahrzehnte zuvor verglichen. Doch bekanntlich kam es anders. Betavoltaik findet sich heutzutage nur im Weltraum oder in militärischen Anwendungen. Grund waren und sind Sicherheitsbedenken, denn als Radionuklid setzte RCA Strontium 90 ein, das Leukämie auslösen kann. Vor einigen Jahren synthetisierte der englische Physiker Dr. Neil Fox an der Uni Bristol aus dem radioaktiven Isotop Kohlenstoff-14 (C14) Nanodiamanten. C14 kommt bekanntlich in der Natur vor. Aus der Zerfallsenergie – C14 zerfällt via Betazerfall in Stickstoff,  Antineutrino plus Elektron – konnte er Strom gewinnen, der Rauchmelder, Hörgeräte, Herzschrittmacher oder Sensoren versorgt. In jüngerer Zeit erregte die US-amerikanische Firma Nano Diamond Battery Aufsehen. Ähnlich wie Fox setzt sie C14 aus Graphit als 

Energiequelle ein, der aus Atomkraftwerken stammt. Graphit dient als Moderatormaterial für die Brennstäbe sowie als Abschirmung. NDB stellt aus dem radioaktiven Graphit Nano-Diamanten her und schließt diese in einer zweiten (nicht-ra-
dioaktiven) Diamantschicht ein. Diese dient gleichzeitig als Halbleitermaterial, das die Betaelektronen aus dem Zerfall verstärkt. Die Zelle soll nach außen nicht mehr Radioaktivität emittieren als der menschliche Körper selber. Die Haltbarkeit würde in den meisten Fällen die des versorgten Produkts übertreffen, was den Elektroschrott reduzieren helfen würde. Da die Technik skalierbar ist, ist es möglich, E-Autos mit nur einer Akkuladung für 90 Jahre anzutreiben – ohne auch nur einmal nachzuladen. Und da der Beta-Zerfall auch stattfindet, wenn das versorgte Gerät nicht genutzt wird, wäre denkbar, das geparkte E-Auto ins Netz einspeisen zulassen. Natürlich müsste diese Technik zuerst den Crash-Test bestehen. Die Kosten sollen bei Massenproduktion nicht höher sein als für Lithium-Ionen-Akkus.  (DS)

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