Heilpflanzen aus dem Regenwald

Die unbekannte Natur-Apotheke

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Die tropischen Regenwälder Mittel- und Südamerikas sind die artenreichsten Ökosysteme der Erde und eine wahre Schatzkammer an natürlichen Arzneien. Was viele Menschen nicht wissen: Jedes vierte Medikament mit pflanzlichem Ursprung stammt aus Tropenwäldern. Und die meisten Wirkstof...
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Heilpflanzen aus dem Regenwald
Von Martina Schneider, Altenahr – raum&zeit Newsletter 217/2019

Die tropischen Regenwälder Mittel- und Südamerikas sind die artenreichsten Ökosysteme der Erde und eine wahre Schatzkammer an natürlichen Arzneien. Was viele Menschen nicht wissen: Jedes vierte Medikament mit pflanzlichem Ursprung stammt aus Tropenwäldern. Und die meisten Wirkstoffe sind noch nicht einmal entdeckt.

Unermessliches Potenzial

Für seine Arbeit begibt sich Dr. Thomas Efferth, Professor für Molekularpharmakologie an der Universität Mainz und Leiter der Abteilung für Pharmazeutische Biologie im Institut für Pharmazie und Biochemie, immer wieder auch dorthin, wo die Arzneien der Zukunft ihren Ursprung haben – in die Natur. Elf Jahre ist es her, dass er sich aufgemacht hat, von schamanischen Heilern zu lernen, die im Regenwald Mittel- und Südamerikas zu Hause sind. Eben dort, wo mehr Heilpflanzen als in jeder anderen Region der Erde wachsen. „Die Apotheke des Regenwaldes ist ein enormer Schatz, der noch nicht gehoben ist“, ist er sich sicher. „Bisher wurden weniger als zehn Prozent der Pflanzen nach Inhaltsstoffen untersucht.“ Leider, sagt er, machen Regierungsbeamte der Regenwaldländer Forschern das Leben schwer: „Der wirtschaftliche Gewinn aus dem Fällen der Bäume und das Öl sind wichtiger als das Wissen um und die Gewinnung von Naturarzneien.“ Doch es geht auch anders: Gemeinsam mit der brasilianischen Chemie-Professorin Vanderlan Bolzani hat er aus 20 Regenwald-Pflanzen Substanzen isoliert, die nach und nach molekularbiologisch untersucht werden.

Schätze heben

Ureinwohner am Amazonas, des Kongo oder Borneos haben viele Heilpflanzen bereits bekannt gemacht, doch die meisten Wirkstoffe, sind sich Wissenschaftler weltweit einig, dürften noch nicht entdeckt sein. In Costa Rica beispielsweise fanden Forscher in den vergangenen 25 Jahren 400 neue Pflanzenarten, deren Potenzial als vielversprechend gilt.
„Pflanzen erzeugen direkt oder indirekt alle unsere Lebensmittel, die meisten unserer Medikamente, unsere Kleidung. Sie nähren nicht nur unsere Körper, sondern auch unsere Seele. Mit Farben und Düften. Und was tun wir? Wir rotten sie aus. Wenn wir weitermachen wie bisher, werden wir bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts ein Drittel aller weltweit bekannten Arten ausgemerzt haben. Sind wir eigentlich verrückt?“, fragt Dr. Peter Hamilton Raven, bis 2011 Direktor des Botanical Garden im US-Bundesstaat Missouri.
Die Münchner Biologin und Ernährungswissenschaftlerin Dr. Andrea Flemmer stellt fest: „Mehr als 7 000 Medikamente sind aus Pflanzen des tropischen Regenwaldes entwickelt, dabei haben Wissenschaftler erst zwei Prozent der dortigen Pflanzenarten untersucht.“ Sie listet auf: Pflanzen aus dem Regenwald helfen gegen Krebs, Tuberkulose und Malaria, wirken als Abführmittel und gegen Husten oder verursachen gar halluzinogene Träume wie Ayahuasca, gewonnen aus einer Dschungelliane. „Jedes vierte Medikament mit pflanzlichem Ursprung stammt aus Tropenwäldern!“

Reiches Angebot

Die Apotheke des Regenwaldes hat enormen Reichtum zu bieten. Ein kleiner Auszug aus dem bisher bekannten Angebot:

Asplenium lunulatum:
Cuti Cuti ist ein Farnkraut und dient als Teepflanze. Es hilft, Husten zu lösen. Eingesetzt wird es auch, um den Stoffwechsel, vor allem den Blutzucker zu regulieren.

Bixa orellana oder Achiote:
Aus der Frucht des tropischen Annattostrauches wird ein Gewürz gewonnen, das Gerichten eine rote Farbe gibt und gleichzeitig dem Körper gut tut. Indios nutzen Annatto bei Beschwerden im Nieren-Harn-System, gegen Verstopfung, bei Husten und Bluthochdruck (Samen, Pulver).

Cananga odorata:
Das Aromaöl, das aus den wegen ihres Duftes anbetungswürdigen Blüten des Ylang-Ylang-Baumes gewonnen wird, lindert Depressionen, Nervosität und Schlaflosigkeit. Denn das 100-prozentige ätherische Öl (Apotheke) ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.

Catharanthus roseus:
Das Madagaskar-Immergrün mit seinen Inhaltsstoffen Viblastin und Vincristin ist natürliches Mittel gegen Morbus Hodgkin und lymphatische Leukämie, das Heilungschancen deutlich erhöhen kann.

Cinchona:
Aus dem Chinarindenbaum Amazoniens lässt sich Chinin gewinnen – Arzneimittel bei Malaria, hilfreich bei jeglicher Art von Fieberzuständen. Allerdings sollte Chinarinde nicht zu oft und zu lange eingenommen werden, weil dies die Leber nicht verträgt.

Curare:
Sammelbezeichnung für verschiedene alkaloidhaltige Substanzen aus Brechnuss-Arten und Mondsamengewächsen. Das Pfeilgift für die Jagd hat medizinische Wirkung: Der Inhaltsstoff Tubocuranin ist Muskelrelaxans und Narkotikum (Tropfen/Injektion, nur über Therapeuten).

Desmodium adscendens:
Aus Belize stammt die Manayupa-Blume, die der Leber hilft, Giftstoffe auszuscheiden. Zudem zeigt sie Wirkung gegen Nerven- und Rückenschmerzen (Kapseln, Tee).

Dracena, die Gattung Drachenbaum:
Drachenblut ist ein rotbraunes Naturharz verschiedener Pflanzen, jenes von einem Baum aus Südamerika wird eingesetzt bei Verletzungen, gegen Keime und Infektionen sowie gegen Herpes (Saft, Pulver).

Graviola:
Die Stachelannone ist eine Frucht, die bis zu 40 Zentimeter lang und vier Kilogramm schwer werden kann. Ihre Blätter sind für Ureinwohner Medizin: Aufgüsse zeigen Wirkung bei Katarrhen, sie beruhigen, helfen beim Einschlafen und unterstützen die Leberfunktion (Saft, Tee, Extrakt).

Jaborandi:
Rutakraut aus Brasilien oder Paraguay enthält Pilocarpin, das bei Grünem Star (Glaukom) Wirkung zeigt (Tropfen, Essenz, Globuli).

Maytenus krukovii:
Chuchuhuasi aus der Familie der Baumwürgergewächse ist ebenfalls Bestandteil eines Regenwaldtees. Heiler verordnen ihn bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, bei Gelenkbeschwerden und Rückenproblemen. Ein Sud aus der Rinde s tärkt das Immunsystem (Tee, Pulver, Kapseln).

Passiflora:
Blüten der Passionsblume aus mittelamerikanischen Regenwäldern beruhigt tiefgreifend, selbst Panikattacken können mit Arzneien positiv beeinflusst werden. Unruhe- und Reizzustände werden gemildert, Kopfschmerzen ebenso, Schlaflosigkeit kann über Nacht verschwinden (Tropfen, Tee).

Phyllanthus niruri:
Das Kraut Chanca Piedra ist Bestandteil eines Regenwaldtees, den Ureinwohner bei Beschwerden des Verdauungsapparates einsetzen. Wirksam gegen Blähungen, Koliken und Infektionen (Tee, Kapseln).

Plukenetia volubilis:
Sancha Inchi oder die Inka-Nuss ist Kletterpflanze und Wolfsmilchgewächs in den Anden. Als Omega 3-Lieferant ist es unerreicht: Die Samen enthalten ein Öl, das enorm reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist. Sie wiederum sind unerlässlich für ein reibungslos funktionierendes Herz-Kreislauf-System, für das Gehirn, für die Gelenke und die Haut (Nuss, Öl, Kapseln).

Ptychopetalum olacoides:
Im Amazonasbecken Brasiliens wächst die beeindruckende Pflanze. Marapuama hat sich dort längst einen Namen gemacht – als Aphrodisiakum und Sexualtonikum zur Förderung der Manneskraft und als Arzneimittel gegen Impotenz (geschnitten, Kapseln, Pulver).

Uncaria tomentosa:
Peruanische Katzenkralle aus Peru hat bereits mehrfach überzeugt bei Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis (Kapseln, Pulver).

Wira Wira:
Das Edelweiß aus den Anden hilft als Tee oder Salbe Husten, Schnupfen und Heiserkeit zu heilen. Die Schleimhäute können sich wieder entspannen, wenn Ingwer (pur oder Tee) aus dem Tropenwald Südostasiens dazu gegeben wird.

Yams:
Die Yams-Wurzel enthält Diosgenon, das dem Gelbkörperhormon Progesteron sehr ähnlich ist. Amerikanischen Ureinwohnern dient die Wurzel als Verhütungsmittel. Hilfreich ist sie auch, um Wechseljahresbeschwerden zu lindern. Yams-Wurzel in Stücken ist in Asia Shops erhältlich oder als Kapseln in Apotheken.

Für Diabetiker

In Mexiko haben Wissenschaftler der Universität Bonn mehr als 100 Pflanzen entdeckt, die sich positiv auf den Blutzucker auswirken. Vor allem Substanzen des Guarumbo- Baumes gehen sie auf den Grund, wie hilfreich sie bei Typ 2-Diabetes sind. Bestimmte Palmen und Schmetterlingsblütler aus asiatischen Regenwäldern, die Saponine und Diterpenoide enthalten, könnten eine Option im Kampf gegen Krebs werden, ebenso afrikanische Affodil-Pflanzen. Nachgewiesen ist inzwischen, dass Tee, Pulver, Öl oder Spray, gewonnen aus dem Neembaum, Erreger abwehrt oder in Schach hält.

Besondere Mixtur

Nachfahren der Inka pflegen eine besondere Aromatherapie: Ätherische Öle werden mit Honig vermischt, das Endprodukt nennt sich Aromele. Mit ätherischen Ölen wurden und werden Akupressurpunkte mit Bambusröhrchen aromatisch behandelt. Folgende spezielle Aromaöl-Mischung wird bei Kopf- und Rückenschmerzen oder für die Behandlung von Asthma eingesetzt. Sie lindert Schmerzen und hemmt Entzündungen (Wintergrün, Lavendel), wirkt auch auf die Atemwege und ist schleimlösend und durchblutungsfördernd (Silbertanne, Latschenkiefer). Zudem zeigt sie beruhigende Wirkung (Bergamotte).

Das Rezept

10 ml Johanniskrautöl werden vermischt mit
3 Tropfen Wintergrün
2 Tropfen Lavendel
2 Tropfen Latschenkiefer
1 Tropfen Silbertanne
5 Tropfen Bergamotte

Bezugsquellen

• Arzneipflanzen aus dem Regenwald gibt es als getrocknete Kräuter in Bio-Qualität über www.etsy.com
• Als Tee über www.regenwaldtee.eu
• Oder in Saft-, Samen-, Essenz-, Pulver-, Globuli- oder Kapselform über Apotheken nach Verordnung eines Therapeuten

Denn generell gilt: Die Einnahme welchen Mittels und in welcher Dosierung ist mit Arzt oder Heilpraktiker abzusprechen! Auch pflanzliche Heilmittel haben Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit Medikamenten und Lebensmitteln.

Die Autorin

Martina Schneider arbeitet seit 30 Jahren als Journalistin und seit zehn Jahren als Heilpraktikerin, NLP-Master (DVNLP) und Wingwave®-Coach in eigener Praxis. Zudem leitet sie das Seminarhaus Schlüsselblume in Altenahr-Kreuzberg. Spezialisiert hat sie sich auf Psychosomatik, Schlafmedizin und Schmerztherapie, wobei sie die Phytotherapie und Spagyrik schätzt.
www.naturheilpraxis-in-kreuzberg.de

Literatur

Andrea Flemmer: „Apotheke Regenwald“, Natura Viva Verlag, Weil der Stadt 2009.

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