raum&zeit Ausgabe 134

März/April 2005

Den Frühling genießen
Die effektivsten Heilmethoden gegen Allergien

Neueste Untersuchungen
Erdmagnetfeld schwindet – Droht uns ein Polsprung?

Jenseits von Einstein
Neue physikalische Modelle in der Diskussion

Der Preis der Leistungsgesellschaft
Depression: Analysen und Perspektiven

Editorial: Geld regiert die Welt

Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei – sagt unsere Verfassung. Im Rahmen einer sehr freien Interpretation dieser „Freiheit“ macht jetzt das Verfassungsgericht den Weg frei für die Studiengebühr.

Wird es in Deutschland bald arme und reiche Unis für arme und reiche Studenten geben? Oder braucht Deutschland generell weniger Studenten, weil bereits unsere Schulabgänger zu den weltbesten gehören?
Darf höhere Bildung wirklich zur lokalen Angelegenheit einer Landesregierung degradiert werden? Darf oder mag der Bund das Gebührenverbot nicht mehr aufrechterhalten?

Für die Universitäten sind Studiengebühren Peanuts. Sie brauchen wesentlich mehr Geld, um gut wirtschaften zu können. Für viele Jugendliche indes, die gerne studieren möchten oder bereits studieren, werden Studiengebühren zum Knockout.
Diese Perspektive erzeugt wenig Enthusiasmus: Die Kinder der Arbeitslosen sind verstärkt in Gefahr, später auch arbeitslos zu werden, weil ihre Eltern keinen Studienplatz bezahlen können und Nichtakademiker schwerer eine Beschäftigung finden. Das Studium degeneriert zum finanziellen Statussymbol. Wissenschaftliche Bildung verliert ihren gesellschaftlichen und kulturellen Wert.

Wie die Natur, so lebt auch die Wissenschaft von der Mannigfaltigkeit. Die Geschichte lehrt, dass die bedeutendsten Genies mitunter aus den ärmlichsten Verhältnissen kamen. Unentgeltlicher Besuch staatlicher Bildungseinrichtungen für Jugendliche ist eine wichtige Errungenschaft unserer Zivilisation, die wir nicht gedankenlos aufgeben sollten.
Wo es um Bildung geht, darf es nicht Stände geben, mahnte bereits Konfuzius.

Mit der Studiengebühr kommt auch die Schuldenfalle. Frei nach dem Motto „Aus fremden Beuteln ist gut blechen“ wird das Studium zum Renditegeschäft. Banken locken mit Fonds-Finanzierung im Solidarmodell – so nennt sich der Teufelskreis, den der Student nur als armer Mann wieder verlassen kann.

Wozu also überhaupt studieren? – fragen sich heute viele Jungen und Mädchen. Wozu soll man sich in der Schule anstrengen? Lohnt sich das überhaupt? Am Ende bringt es nichts außer Stress und kostet viel Geld.
Im Ergebnis sinkt nicht nur der Anteil der Hochschulabsolventen in der Bevölkerung. Lehrer werden es immer schwerer haben, Kinder für einen guten Schulabschluss zu motivieren.

Dagegen werden es Skinheads immer leichter haben, halbgebildete Jugendliche für rechtsextreme Gedanken und Handlungen zu gewinnen. Studien belegen, dass unter Jugendlichen Rechtsextremismus umso häufiger zu verzeichnen ist, je niedriger das Bildungsniveau des Elternhauses und das schulische Niveau der Jugendlichen ist.
Jules Renard sagte einmal: „Keiner zeigt uns unsere Fehler so deutlich wie ein Schüler.“

In diesem Sinne
Herzlichst Ihr

Hartmut Müller

zur Startseite