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Grüne kippen um

EU-Abstimmung: Weitere zehn Jahre Glyphosat?

Glyphosat tötet als Breitband-Herbizid ausnahmslos alle Pflanzen, bis auf gentechnisch entsprechend angepasste. Die internationale Agentur für Krebsforschung (IACR) hat Glyphosat als „wahrscheinlich krebserzeugend“ eingestuft. Außerdem wird ein Zusammenhang mit Atemwegserkrankungen Diabetes, Herzinfarkt, Reproduktions- und Entwicklungsstörungen, Arthritis, Schilddrüsenerkrankungen und Parkinson vermutet. Überdies soll Glyphosat die Biodiversität gefährden und ursächlich für das Insektensterben sein. Doch da Glyphosat von über 40 internationalen Herstellern auf einem Milliardenmarkt angeboten wird, hat sich eine starke Industrielobby gebildet. So ist es nicht erstaunlich, dass zum Beispiel die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), das Bundesinstitut für Risikoforschung oder die europäische Chemikalienagentur (ECHA) Glyphosat als nicht krebserregend einstufen. Eine europäische Bürgerinitiative sammelte im Jahr 2017 1,1 Millionen Unterschriften für ein Glyphosat-Verbot, davon kamen circa 660000 allein aus Deutschland.1 Zum Vergleich: Eine kürzlich vorgebrachte Petition des Chemieriesen Bayer zugunsten von Glyphosat brachte es auf ganz 17000 Unterschriften.2

Der überwältigende Teil der Deutschen will also künftig kein Glyphosat mehr in Garten- und Ackerbau. Viele von ihnen wählen unter anderem deshalb die Grünen, die sich traditionell als politischer Arm im Kampf gegen das Ackergift verstehen und vermarkten. Auf ihr Betreiben hin wurde denn auch im Koalitionsvertrag der Ampel (SPD, Grüne, FDP) vereinbart: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt“. Doch die EU-Kommission will den Glyphosat-Einsatz für weitere zehn Jahre erlauben. Stoppen kann sie nur eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitglieder. Deutschland müsste also dem Koalitionsvertrag folgend mit „Nein“ stimmen. Doch wie das so ist in der Politik – wenn es ernst wird, kippt man plötzlich um. Da die FDP ein Veto gegen ein „Nein“ einlegte, hat Deutschland sich, vertreten durch seinen Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) bei der EU-Abstimmung enthalten. Und mit einer Dreistigkeit, wie sie nur in der Politik üblich ist, versuchte das Ministerium das Abstimmungsverhalten auch noch als prinzipientreu zu vermarkten: „Für uns ist der Koalitionsvertrag hier handlungsleitend & unmissverständlich. […] Deutschland wird nicht zustimmen” hieß es auf der Kurznachrichtenplattform X (früher Twitter). Man muss schon fragen, für wie blöd die Politiker die Bürger halten. Denn eine Enthaltung ist ganz offensichtlich kein „Nein“, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Wieder einmal sind die Grünen im entscheidenden Moment umgefallen. Um die Ampel-Koalition und die damit verbundene politische Macht nicht zu gefährden? Frei ist der Weg für den weiteren Einsatz von Glyphosat übrigens noch nicht. Es steht noch eine weitere Abstimmung auf EU-Ebene an. Erst wenn auch hier keine Einigung erzielt werden kann, gilt die Entscheidung der EU-Kommission, Glyphosat für weitere zehn Jahre zu erlauben. (DS)

(Quelle: Pressemitteilung Foodwatch vom 13. Oktober 2023)

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