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Brief aus der Zukunft

An den Ethikrat der Vereinigten Europäischen Nationen

Von Robert Stein, Ismaning – raum&zeit Ausgabe 217/2019

Von: Prof. Dr. Claudia Wertheim [mailto:Prof.Dr.ClaudiaWertheim@web.de]
Gesendet: Sonntag, 17. November 2058, 11:55
An: Ethikrat@EUN.com
Betreff: Das größte Freiluftexperiment in der Geschichte der Menschheit

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Conrad Röntgen 1895 seine große Entdeckung machte, waren die Menschen begeistert von dieser Technologie. Sogar in Schuhgeschäfte wurden Röntgengeräte gestellt, um die Passform der Schuhe zu messen. Aber nur solange bis den ersten Arbeitern in den Röntgen-Laboren die Finger abfielen und sie reihenweise schwer krank wurden. Schnell wurde klar, dass diese Strahlung alles andere als harmlos war und bis heute wird sie nur mit größter Vorsicht eingesetzt.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts konnte sich niemand mehr vorstellen solche Fehler zu machen, denn der Glaube an den Fortschritt war grenzenlos. So wurde der Ausbau des Mobilfunks gnadenlos vorangetrieben und die Funkfrequenzen erreichten immer höhere Werte.
Als im Jahr 2020 der Mobilfunkstandard 5G eingeführt wurde, da war die Euphorie noch groß. Ein gigantischer Datenaustausch im Bruchteil einer Sekunde war plötzlich möglich und eine Welt mit ungeahnten Möglichkeiten tat sich auf. Nach wenigen Jahren der Euphorie kam jedoch gegen Ende der 20er Jahre die große Ernüchterung, denn die Anzahl der geschädigten Menschen konnte nicht mehr ignoriert werden.
Zuerst war es nur der große Anstieg der Alzheimer- und Parkinsonerkrankungen, die immer mehr Menschen skeptisch machten. Doch als bekannt wurde, wie viele Menschen seit Einführung von 5G an einem Gehirntumor erkrankten, kippte die Stimmung schlagartig und eine massive Protestbewegung formierte sich.
Und obwohl die Anzahl der erkrankten Menschen jedes weitere Jahr sprunghaft anstieg, dauerte es noch einmal Jahre, bis sich die Verantwortlichen in Politik und Industrie dem Druck der Bürger und Ärzte beugten und die große Reform der Mobilfunktechnik einleiteten.
Als dann endlich im Jahr 2035 die Internationale Kommission zum Schutz vor Mobilfunk ihre Arbeit aufnahm, war es leider für viele Menschen auf der Welt schon zu spät.
Erst ab diesem Zeitpunkt fragten sich die Menschen, warum niemand auf die zahlreichen Studien gehörte hatte, die von Anfang an den Mobilfunk als das bezeichneten, was er wirklich war: das größte Freiluftexperiment in der Geschichte der Menschheit. Angetrieben von einem Konglomerat aus Wissenschaftlern und Industriellen und flankiert von einer opportunistischen Politikerkaste, die zum eigenen Vorteil über Leichen ging. Denn die Gefahren waren von Anfang an bekannt, doch niemand wollte sie hören. Tausende Studien stießen damals auf taube Ohren.
Heute wissen wir es besser. Nur welchen Rat hätten wir den Menschen von damals mitgeben können? Jetzt, wo wir wissen, welch verheerende Auswirkungen gepulste Mikrowellenstrahlung auf unser Gehirn, auf unser Erbgut und auf unser ganzes Leben haben kann.
Was hätten wir den Menschen von damals nur sagen sollen?
Was hätte sie wohl zum Umdenken gebracht?

Beste Grüße
Prof. Dr. Claudia Wertheim

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