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Deutschland bevormundet souverän – Demokratie wird schlicht überbewertet

Von Christine Kammerer, Nürnberg – raum&zeit Ausgabe 194/2015

Ist Deutschland eigentlich souverän? Nun ja, nicht wirklich. Deutschland ist gewissermaßen bevormundet souverän. Vor allem deswegen, weil es sich so gerne bevormunden lässt. Das macht die Sache für uns irgendwie einfacher.

Und sind wir nun eigentlich Freund oder Feind? Nun, darüber steht uns im Grunde kein Urteil zu, weil wir ja bevormundet sind. Und bei manchen Sachen hört die Freundschaft einfach auf – beim EU-Austritt zum Beispiel, bei der Wiedereinführung der D-Mark, wenn wir uns mit den Russen anfreunden wollen oder so genannte Freihandels-Abkommen nicht einfach kritiklos abnicken.

Wir haben eigentlich nur einen guten Freund – den Amerikaner. Der hungert nach Macht, bedingungsloser Unterwerfung und beständiger Bestätigung seiner überlegenen Stellung in der Welt. Er handelt nach dem Motto „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ und wenn es dann mal nicht ganz so harmonisch läuft, hat garantiert ein anderer schuld. Terroristen zum Beispiel. Oder die Deutschen.
Der Deutsche dagegen leidet am Heile-Welt-Syndrom. Er hasst Konflikte. Deswegen ordnet er sich lieber gleich bedingungslos unter und verzichtet auf vieles. Zum Beispiel auf seine Souveränität.

Schwierig wird es nur, wenn es mit der bedingungslosen Unterordnung dann doch nicht so ganz klappt. Weil nämlich der Deutsche insgeheim auch nach Macht und Anerkennung und beständiger Bestätigung seiner überlegenen Stellung in der Welt dürstet. Andernfalls fühlt er sich irgendwie elend, klein und minderwertig. Und wenn es dann nicht ganz so harmonisch läuft, ist garantiert ein anderer schuld. Terroristen zum Beispiel. Oder der Islam.

Ist Europa eine Demokratie? Nun ja, nicht wirklich. Europa ist ja eigentlich kein Land. Und die Europa-Politik? Ist die denn demokratisch legitimiert? Nun ja, nichts weniger als das. EU-Funktionäre sind schließlich keine Volksvertreter. Und die EU-Gerichte? Sind die wenigstens demokratisch? Mit Richtern, die von der Exekutive bestellt werden? Nun ja, eigentlich sowas von gar nicht. Und diese EU schließt also nunmehr mit unserem Freund ein Freihandelsabkommen?

Sind supranationale Schiedsgerichte — bestritten von den Rechtsanwälten der Konzerne — eigentlich demokratisch? Schiedsgerichte, die über dem deutschen Recht stehen und deren einziger Sinn und Zweck ist, es auszuhebeln?
Freihandel. Ja, unsere Freunde lieben große Worte. Für einen Handel, der andere in die Knie zwingt, die Ausbeutung der Schwachen durch die Starken begünstigt, die Freiheit und die Souveränität anderer deutlich einschränkt und dazu nicht einmal demokratisch legitimiert ist.

Der Deutsche könnte auch „Nein“ sagen, wenn er nur wollte. Er ist doch eigentlich souverän. Aber wozu? Er lässt sich eben lieber bevormunden. Die heile Welt hat schließlich immer Vorzug vor der Souveränität. Und immerhin ist ja nicht alles ganz schlecht, was der Freund so treibt, oder? Auch wenn diese Freundschaft sich ungefähr so verhält wie die Beziehung eines Herrchens zu seinem jungen Welpen:

Der Welpe hechelt seinem Herrchen schwanzwedelnd hinterher, während dieser das Würstchen an der Angel gerade so hoch hält, dass es das kleine Hündchen immer ganz knapp verfehlen muss. Erreicht es das Würstchen dann doch einmal, ist das gewissermaßen das Krönchen seiner bedauernswerten Lebensform. Und wenn der Welpe einmal groß ist, dann macht er es genauso. Mit allen, die kleiner sind als er.

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