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Alleen, Blumen und Frauen

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Alleen, Blumen, Frauen und Bewunderer. Früher wäre ich nie darauf gekommen, hier etwas Anstößiges zu sehen. Also, ganz früher, in meiner Jugend, hätte ich es vielleicht für Kunstkacke gehalten. Später, mit mehr Weitsicht, hätte ich vielleicht gesagt, dass die Form manchmal Kunst ist, wenn auch der Inhalt banal scheint.
Heute wird man konfrontiert mit der Darstellung, dass schon die Bewunderung von Frauen sexistisch ist und die Frau in die Position der Ware rückt.
Nein, da haben sie recht, die Kritiker des Gedichtes, so etwas darf heute nicht mehr vorkommen. Also, wie sagt man hier in Nordfriesland, wo man sehr praktisch denkt?
Dann ändern wir das eben. Bis es passt.
Also, was ist der Anstoß? Aha, die Frauen.
Na schön, dann können wir die gegen Männer auswechseln. Sollen die Männer doch mal sehen, wie man sich in der Rolle der Frauen fühlt.
Okay ... also: Alleen, Blumen, Männer und ein Bewunderer.
Hm. Aber darf man Männer bewundern? Die haben doch sowieso schon die Herrschaft über alles, besonders über die Frauen. Männer werden doch sowieso bewundert, das ist ja das Schlimme in unserer Gesellschaft, alle Führungsrollen und dann noch die Helden. Und überhaupt, das klingt doch homosexuell, was sagen eigentlich die Schwulen dazu?
Gut, dann wechseln wir weiter. Wie wäre es mit „Kinder“?
Kinder darf man doch lieben und bewundern. Denke ich so als Vater.
Au wei, fällt mir ein, wenn der Bewunderer nun ein Fremder ist? Das klingt doch schon stark nach Pädophilie und womöglich nach Kinderpornografie und Entführung. Das geht gar nicht.
Vielleicht einfach nur „Menschen“?
Also, wenn ich so die weltpolitische und ökologische Situation heute sehe, dann sind doch Menschen gerade das Letzte, was man bewundern kann, ohne echte Gewissensbisse zu bekommen.
Sollen wir nun dieses preisgekrönte Gedicht, das mal als hehre Kunst proklamiert wurde, vollends in die Tonne treten, es also wegschmeißen? Nein, denke ich, wir werfen schon genug weg. Jetzt nicht auch noch Kunst, wo man sich so viel Mühe gegeben hat.
Ein letzter Versuch.
Nehmen wir doch das Wort „Dinge“.
Gut, also Allen, Blumen Dinge und ein Bewunderer.
Hey, ja das ist gut, das passt doch.
Dinge sind doch schön, kann man bewundern. Viele Menschen stellen sich die ganze Wohnung damit voll und putzen sie sogar an Sonn- und Feiertagen.
Ja, Dinge kann man ungestraft bewundern.
Mehr noch! Die Formulierung passt doch ausgezeichnet in unsere Zeit. Hier wird deutlich gemacht, was uns allen nutzt, wie es uns allen besser geht.
Dinge bewundern und sie kaufen, kaufen, kaufen.
Das nutzt der Wirtschaft und damit uns allen.
Puh, dann hätten wir ja die Kunst gerettet und den gesellschaftlichen Frieden auch.
Amen.

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