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Mindestrente für Politiker

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Für Kommentatoren ist es bisweilen interessant, was die Kollegen schreiben. Jeder hat so seine Lieblinge, ich auch. Sprachkünstler mit feinen Rezeptionsorganen, von denen man sich eine Scheibe abschneiden kann. Mein absoluter Favorit ist Detlev Gröning.
Dieter Nuhr finde ich auch ganz gut. Allerdings haben sie das Problem, für große Medien und öffentlich-rechtliche Anstalten arbeiten zu müssen. Da gibt’s schon manchmal haarsträubende Aussagen, zum Beispiel über Homöopathie und anderen „esoterischen Schwachsinn“.
Aber sonst bin ich in Sachen der Gesellschaftskritik mit ihnen oft einer Meinung. Und mittlerweile achte ich auch darauf, WIE sie etwas sagen.
Und da fällt mir auf: Sie werden immer verbissener. Satire wird inzwischen in einem Ton geführt, der keinen Spaß mehr versteht. Früher war es meist ziemlich spielerisch, wie Kritik an Politik oder auch nur gesellschaftlichen Bräuchen vorgetragen wurde. Das scheint vorbei.
Schlimmer noch: Zwischen den Zeilen schimmert unverhohlene Häme durch. Klammheimliche Freude, wenn wieder ein großmäulig vorgetragenes politisches Konzept oder eine auf dem Papier und für besser gestellte Personen „sozial ausgleichende“ Idee krachend scheitert. Eine ganz neue Lust an der Dystopie lugt unter wohlgefeilten Worten hervor. Wie konnte es soweit kommen?
Es erinnert mich an „No Future“ der 80er Jahre, als sich die Erkenntnis breit machte, dass die Auseinandersetzung mit einer kleinen Handvoll von Terroristen dazu führte, dass man sich entschloss, die öffentliche Meinung höheren Orts mit Nachdruck festzulegen.
Mittlerweile hat sich die Wahrnehmung dieses Für-dumm-Verkaufens beim gar nicht so dummen Wahlvolk allerdings so epidemisch verbreitet, dass selbst einfache Kommunalwahlen die etablierten Parteien in immer neue Abgründe stürzen. Zu ihrem immer wieder größten Erstaunen.
Nicht, dass nun etwa realisierbare neue Konzepte auftauchen. Alles, was man aus verbalen Äußerungen entnehmen kann, ist eine merkwürdige Art von Resignation, die schon durchblicken lässt, wo der Hase im Pfeffer sitzt. Man hat doch nun mal dieses Parteiprogramm. Das muss man bis aufs Messer verteidigen. Das muss der Wähler doch verstehen. Wenn man nur der Vernunft oder – holla – der Einsicht in die dringenden Notwendigkeiten der „Menschlichkeit“ gehorchen würde, das würde doch eine Selbstdarstellung so unsäglich unscharf machen.
Interessant ist, dass inzwischen nicht mehr klar ist, ob tatsächlich auf die Menge an potenziellen Wählern geschaut wird. Seit die SPD mit dem Hartz-4-Programm begann, sich die sozial denkenden Wähler zu vergraulen, hat auch die CDU ihre eigene Abgehobenheit vom dummen Volk gepflegt. Man kann diese Ignoranz der Realitäten in der hilflosen Verbalisierung ihrer Misserfolge deutlich ablesen.
So, also eine Grundrente müsste „schärfstens überprüft“ werden? Okay, dann auch alle anderen Zuwendungen. Benötigt jemand, der 10.000 Euro im Monat verdient, noch 204 Euro Kindergeld? Oder 6.000 Euro staatlichen Zuschuss für ein neues Auto? Oder steuerliche Absetzbarkeit jeder kleinen Spende? Die Liste lässt sich beliebig fortführen. Was ist hier mit Berechtigungsprüfung?
Aber es muss erst das Verfassungsgericht kommen, um anzumahnen, dass unser soziales Konzept beinhaltet, eine lebenserhaltende Grundversorgung jedem zu garantieren. Und das bedeutet nicht, dass Alleinerziehende mit Kindern auf der Straße leben müssen, weil sie eine Miete nicht mehr zusammenkriegen und psychisch am Rand der Erschöpfung sind und deshalb nicht fähig, einen Haufen von dringend notwendigen Formularen auszufüllen. Oder, wie ein Interviewpartner aus dem Sozialhilfebereich formulierte: „Diejenigen, die eine Grundrente wirklich brauchen würden, verstehen gar nicht, was der Staat nun wieder von ihnen will.“
Aus meinem eigenen Rentenantrag weiß ich, dass man da besser einen Fachmann auf seiner Seite hätte. Ohne eine Bekannte aus eben dieser Verwaltung hätte ich kaum etwas bekommen, weil auch Angaben zunächst angezweifelt und erstmal abgelehnt werden. Da hat ja jeder offensichtliche Verkehrsrowdy mit Todesfolge aus seinem Verhalten mehr psychologische Unterstützung und rechtspamperndes Verständnis.
Aber um jeden Cent für lebenslange Niedrigverdiener wird hart gerungen. Das haben doch die besser gestellten Wähler verdient.
Doch die wählen längst immer öfter AFD, nur aus ganz anderen Gründen.
Willy Brandt würde heute sagen: „Wir sollten mehr soziales Verhalten wagen!“
Mein Lieblingssatiriker Gröning sieht das so: „Die paar Zahnarztgattinnen mit falschen Angaben schleppen wir doch auch noch durch!“
Wir bezahlen ja auch die oft monatelangen Haarspaltungsdiskussionen einer Groko-Regierung. Und die sind teurer. Mindestens gefühlt. Und – hej, ich komme nicht aus einem tot-grün-versyphten Elternhaus. Da wählte man stramm CDU.

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