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Guter Rat für engagierte Randgruppen

raum&zeit-Kolumne von Manfred Jelinski

Auch als ausdrücklicher Bewohner der gesellschaftlichen Mitte betrachtet man mit Interesse die politischen Randzonen und fragt sich, warum die dort geäußerten Ideen so wenig Nachhall finden. Das kann vielleicht daran liegen, dass deren Ideenwelten und Argumente einfach nicht einleuchtend rübergebracht werden.
Liebe Neonazis, solche Facebooksprüche wie
„Sofort Kopfschuss und ins Schlauchboot zurück!“ zeugen doch wirklich von wenig emotionalem Feingefühl, sprachlicher Eleganz und argumentativem Gespür. Und es ist sogar strafbar, sich so zu äußern. Echt! Kein Scheiß! Muss man doch mal sagen! Und das ist ja eigentlich gut so, denn ihr hättet doch auch nicht gern, wenn das, was ihr sagt, jemand über eure Kinder sagte, nicht wahr?
So etwa: „Lass doch die Blagen im Pool ertrinken, wenn sie nicht schwimmen können!“ Oder: „Verunglückte Schulanfänger? Haben sie doch selbst schuld, wenn sie sich nicht im Verkehr bewegen können!“
Nein, so geht es nicht.
Besser wäre es doch, nachvollziehbare Positionen zu beziehen und mit wirklichen Argumenten umzugehen, wenn man sich um das Gemeinwohl sorgt.
Hier habe ich ein paar Beispiele für kluge rechtsradikale Nutzer:

Ihr könnt gehen! Zahlt doch zu Hause in eure sozialen Systeme ein!“
Oder besser noch als detaillierte Aufteilung:
Auch noch Rentenversicherung hier zahlen, wie? Haut bloß ab und macht das in euren Herkunftsländern!“
Pflegt doch eure eigenen alten und kranken Leute bei euch zuhause! Wir können das hier viel besser alleine! Wir haben genug Pflegekräfte!“
Macht doch die Drecksarbeiten zu Hause! Wir können unseren Schmutz auch selbst aufräumen! Unsere Schulabbrecher sehnen sich direkt danach!“
Ihr kauft uns hier alle Smartphones weg! Womit sollen denn unsere Kinder noch spielen?“
Und Steuern zahlen können wir selbst!“

Und natürlich müssen diese ungebildeten Muselmanen von uns lernen! An uns soll schließlich die Welt genesen, aber dafür braucht es Argumente! Hier sind sie:
Was habt ihr bloß gegen Alkohol? Solche harten Drogen bringen am meisten Steuern ein und stützen die Not leidende Pharmaindustrie!“
Und als Letztes vielleicht noch: „Wir machen genug eigene Kinder! Unsere Frauen sind sehr an Großfamilien interessiert und unser Staat unterstützt das, wo er nur kann!“
Und überhaupt: Wir haben sowieso zu wenig Geld für Bildung übrig! Und da kommt ihr noch und wollt davon was abhaben! Geht gar nicht!“

Ja, und dieses unsäglich missverstandene Verhalten bei Demonstrationen! Da muss etwas geschehen. Nur das tiefe Verständnis der Bevölkerung kann hier helfen. Probiert doch mal eine Erklärung wie diese:
Und wenn wir den Hitlergruß zeigen, dann ist das nicht nur, wie die Musikgruppe „Die Ärzte“ richtig vermutet, ein Schrei nach Liebe, sondern wir möchten gern in die ausgestreckte Hand eine Schaufel gedrückt bekommen, um beim so notwendigen Autobahnausbau zu helfen. Das haben die Politiker leider noch überhaupt nicht begriffen! Und das macht uns auch zu Wutbürgern!“

Seht mal, liebe Rechtsradikale, so erringt man doch viel mehr Verständnis und Vertrauen bei der Bevölkerung.

Und zur allgemeinen Bevölkerung muss ich auch noch was sagen. In Deutschland ist es inzwischen so weit gekommen, dass man Satire immer extra ansagen muss. Meine Frau weist mich öfter darauf hin.
Verstehen die das echt nicht?“, sage ich dann, „dabei ist das ganze Land eine ständige Realsatire. Merkt das keiner?“

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